§ 50 Abs 2 TAMG partiell verfassungswidrig und nichtig - Tierarztvorbehalt für Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Humanhomöopathika bei Tieren verletzt Tierheilpraktiker bzw Tierhalter in Grundrechten aus Art 12 Abs 1 GG bzw Art 2 Abs 1 GG - mangelnde Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne
Leitsatz
1. Für die verfassungsrechtliche Überprüfung einer Regelung ist nicht ausschlaggebend, ob die dafür maßgeblichen Gründe im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich genannt wurden oder den Gesetzesmaterialien zu entnehmen sind. Vielmehr sind auch solche Zwecke zu berücksichtigen, die nach dem gesetzgeberischen Willen naheliegen oder im Verfassungsbeschwerdeverfahren von den am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organen vorgebracht werden. Erst das objektive Fehlen von Zwecksetzungen, die von Verfassungs wegen anzuerkennen sind, führt zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit.
2. Um einen Grundrechtseingriff rechtfertigen zu können, muss auch eine innerstaatliche Regelung, die der Anpassung an unionsrechtliche Vorgaben dient, materielle legitime Zwecke verfolgen.
3. Für die Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs durch ein Gesetz ist bei der Prüfung der Angemessenheit auch zu berücksichtigen, ob die geringere Wirksamkeit einer die Grundrechte weniger beeinträchtigenden Regelung hingenommen werden könnte. Ist die zu überprüfende Regelung zur Erreichung eines legitimen Zwecks wirksamer als mildere Mittel, ist sie zwar geeignet und erforderlich. An der Angemessenheit der Regelung kann es dann aber dennoch fehlen, etwa wenn ein milderes Mittel zur Verfügung steht, dessen Wirksamkeit nur wenig geringer ist als die zu überprüfende Regelung. In diesem Sinne hat der Gesetzgeber nach Möglichkeit auch eine freiheitsschonende Lösung zu wählen, die besonders intensive Eingriffe durch Befreiungs-, Übergangs- oder Kompensationsregelungen abmildert, was auch für einen zeitlich begrenzteren Einsatz des gewählten Mittels relevant sein kann.