Eigentumsgarantie schützt auch unter körperschaftssteuerrechtlichem Anrechnungsverfahren angesammeltes Körperschaftssteuerminderungspotential - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Gleichheitssatz begrenzen die gesetzgeberische Befugnis, entstandene Rechte bei der Neuordnung eines Rechtsgebiets umzugestalten - Wegfall des Körperschaftssteuerminderungspotentials gem der Übergangsregelung des § 36 Abs 4 KStG idF des JStG 2010 teilweise verfassungswidrig - rückwirkende Neuregelung bis geboten
Leitsatz
1. Das unter dem körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahren angesammelte Körperschaftsteuerminderungspotenzial unterfällt in dem Umfang, in dem es im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren realisierbar war, dem Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
2. Im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist der Gesetzgeber bei der Neuordnung eines Rechtsgebiets zur Umgestaltung der nach früherem Recht entstandenen Rechte befugt, soweit dies durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt und der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gewahrt ist.
3. Die Übergangsregelung des § 36 Abs. 4 KStG (i.d.F. von § 34 Abs. 13f KStG i.d.F. des JStG 2010) ist mit Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit die Vorschrift zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führt, weil sie den in § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 bezeichneten Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals nicht in die Verrechnung der unbelasteten Teilbeträge einbezieht. Dies ist zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele nicht erforderlich und mit den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht vereinbar.
Fundstelle(n): BB 2023 S. 277 Nr. 6 FR 2023 S. 258 Nr. 6 GmbHR 2023 S. 270 Nr. 6 GmbHR 2023 S. 288 Nr. 6 NJW 2023 S. 1419 Nr. 20 NJW 2023 S. 1430 Nr. 20 NWB-Eilnachricht Nr. 18/2023 S. 1286 StuB-Bilanzreport Nr. 4/2023 S. 187 WPg 2023 S. 206 Nr. 4 wistra 2023 S. 3 Nr. 3 EAAAJ-32095