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BGH Beschluss v. - 1 StR 126/23

Gesetze: § 370 AO, § 73 StGB, § 266a Abs 1 StGB, § 266a Abs 2 StGB, § 14 Abs 2 S 2 SGB 4, § 28d SGB 4, § 28h SGB 4, § 55 Abs 3 SGB 11, § 39c EStG, § 41a Abs 2 S 1 EStG

Lohnsteuerhinterziehung: Bemessung des Beitragsschadens; Strafzumessung

Leitsatz

1. In den Fällen 1 bis 30 der Urteilsgründe (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) hat das Landgericht die Höhe des strafrechtlich relevanten Beitragsschadens zwar nicht rechtsfehlerfrei bestimmt, denn es hat in die Beitragsanteile zur gesetzlichen Pflegeversicherung gem. § 55 Abs. 1, § 58 Abs. 1 SGB XI den Beitragszuschlag für Kinderlose (§ 55 Abs. 3 SGB XI) eingerechnet. Darauf beruht das Urteil aber nicht.

2. Da der Angeklagte über die Beschäftigung der bei den Einzugsstellen nicht angemeldeten Arbeitnehmer keine Aufzeichnungen führte, durfte das Landgericht die Höhe der als Nettolöhne gezahlten „Schwarzlöhne“ in zulässiger Weise mit 90 % der festgestellten Scheinrechnungssummen veranschlagen. Die Hochrechnung auf das Bruttoarbeitsentgelt konnte nach der Rechtsprechung des Senats aufgrund des Vorliegens vollumfänglich illegaler Beschäftigungsverhältnisse anhand des Eingangssteuersatzes der Lohnsteuerklasse VI (§ 39c EStG) erfolgen.

3. Das Landgericht durfte das „kollusive Zusammenwirken“ des Angeklagten mit den schwarz bezahlten Arbeitnehmern zu Lasten der Solidargemeinschaft strafschärfend berücksichtigen. Geschütztes Rechtsgut der Abs. 1 und 2 des § 266a StGB ist in erster Linie das Interesse der Solidargemeinschaft an der Sicherstellung des Aufkommens der Mittel für die Sozialversicherungen. Kollusives Zusammenwirken von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu Lasten der Solidargemeinschaft – und mittelbar zum Nachteil abgaben- und steuerehrlicher Unternehmer – ergibt ein Tatbild, das durch ein gesteigertes Ausmaß an krimineller Energie geprägt ist.

4. Die am angenommenen Sozialversicherungsschaden und an widersprüchliche Feststellungen zur Höhe der hinterzogenen Lohnsteuer anknüpfende Einziehungsanordnung hat insgesamt keinen Bestand. Anders als bei der Strafzumessung, für deren revisionsrechtliche Nachprüfung es ausreicht, dass sich aus dem Urteil ein den Angeklagten nicht beschwerender (Mindest-)Schuldumfang ergibt, muss der Einziehungsbetrag exakt nachvollziehbar und rechtsfehlerfrei bestimmt sein. Dies setzt voraus, dass sowohl die Berechnungsgrundlagen als auch der Rechenweg im Urteil in einer Weise dargelegt werden, die aus sich heraus verständlich ist und eine Nachprüfung ohne weiteres ermöglicht. Eine eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts kommt insoweit nicht in Betracht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:130623B1STR126.23.0

Fundstelle(n):
PStR 2023 S. 244 Nr. 11
PStR 2023 S. 245 Nr. 11
wistra 2023 S. 2 Nr. 9
wistra 2023 S. 513 Nr. 12
SAAAJ-43663

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