Richtervorlagen zur Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses nichtfreizügigkeitsberechtigter Ausländer vom Kindergeldbezug (§ 62 Abs 2 EStG 2006) mangels hinreichender Begründung unzulässig
Leitsatz
1. Enthält eine gesetzliche Vorschrift mehrere Alternativen, ist sie grundsätzlich nur wegen derjenigen Alternative vorzulegen und zu prüfen, auf die es bei der Entscheidung ankommt. Teile einer Gesamtregelung, auf die dies nicht zutrifft, können zwar bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der entscheidungserheblichen Alternativen eine Rolle spielen, unterliegen aber im Regelfall nicht einer in Gesetzeskraft erwachsenden Verwerfung als verfassungswidrig. Jede der Einzelregelungen des § 62 Abs. 2 EStG 2006 ist im Hinblick auf das vom Gesetzgeber gewählte Differenzierungskriterium der Prognose eines dauerhaften Aufenthalts deshalb gesondert auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu untersuchen. Daran fehlt es in beiden Vorlagen.
2. Auch die bisherige Rechtsprechung des BVerfG berücksichtigt das FG nicht hinreichend. Das BVerfG hatte bereits mehrfach im Zusammenhang mit Ansprüchen auf Kindergeld, Erziehungsgeld und Elterngeld die Bleibeperspektive ausländischer Staatsangehöriger mit befristeten Aufenthaltstiteln zu beurteilen. In rechtlicher Hinsicht hat das BVerfG insbesondere auf die Verlängerungs- und Verfestigungsmöglichkeiten des jeweiligen Aufenthaltstitels abgestellt. Zudem hat es klargestellt, dass bei der Prognose der Aufenthaltsdauer des jeweiligen Aufenthaltsstatus auch dessen Einbindung in die tatsächlichen Verhältnisse zu berücksichtigen ist. Dementsprechend hätte das vorlegende Gericht begründen müssen, aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen die hier einschlägigen Tatbestandsalternativen beziehungsweise Fallgruppen des § 62 Abs. 2 EStG 2006 nicht geeignet sein könnten, das Regelungsziel des Gesetzgebers, nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern nur dann Kindergeld zu gewähren, wenn sie sich voraussichtlich dauerhaft in Deutschland aufhalten werden, zu erreichen.