Schätzungsbefugnis bei Altkassen, deren objektive Manipulierbarkeit sich erst nach Jahren des Gebrauchs nachträglich herausstellt; zeitliche Erfassung von Gutscheinen bei Einnahmen-Überschuss-Rechnung
Leitsatz
1. Zur Begründung einer Schätzungsbefugnis dem Grunde und der Höhe nach darf der Tatrichter sich nicht mit der bloßen Benennung formeller oder materieller Mängel begnügen, sondern muss diese auch nach dem Maß ihrer Bedeutung für den konkreten Einzelfall gewichten.
2. Eine Vollschätzung unter vollständiger Verwerfung der Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen ist nur zulässig, wenn die festgestellten Mängel gravierend sind.
3. Die Verwendung eines objektiv manipulierbaren Kassensystems stellt grundsätzlich einen formellen Mangel von hohem Gewicht dar, da in einem solchen Fall systembedingt keine Gewähr für die Vollständigkeit der Einnahmenaufzeichnungen gegeben ist.
4. Das Gewicht dieses Mangels kann sich in Anwendung des Verhältnismäßigkeits- und Vertrauensschutzgrundsatzes im Einzelfall auf ein geringeres Maß reduzieren. Das gilt insbesondere dann, wenn das Kassensystem zur Zeit seiner Nutzung verbreitet und allgemein akzeptiert war und eine tatsächliche Manipulation unwahrscheinlich ist.
5. Der in der Verwendung einer solchen objektiv manipulierbaren elektronischen Registrierkasse einfacher Bauart liegende formelle Mangel begründet keine Schätzungsbefugnis, wenn der Steuerpflichtige in überobligatorischer Weise sonstige Aufzeichnungen führt, die eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit der Einnahmenerfassung bieten.
6. Bei elektronischen Registrierkassen einfacher Bauart werden Funktionen und Stand der festen Programmierung (Firmware) durch die Bedienungsanleitung dokumentiert. Änderungen von Einstellungen der Kasse sind vom Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Vornahme der Änderungen durch Anfertigung entsprechender Protokolle über die vorgenommenen Einstellungen zu dokumentieren (Präzisierung des Senatsurteils vom - X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 26 ff.).
7. Übergibt ein Kunde für eine Leistung des Steuerpflichtigen einen Rabattgutschein, auf den nach den Gutscheinbedingungen ein Dritter eine Zahlung an den Steuerpflichtigen leisten soll, fließt dem Steuerpflichtigen bei Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung eine Einnahme nicht bereits mit Übergabe des Gutscheins, sondern erst in dem Zeitpunkt zu, in dem der Dritte die Zahlung an den Steuerpflichtigen leistet.
Tatbestand
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer: ECLI:DE:BFH:2023:U.281123.XR3.22.0
Fundstelle(n): BStBl 2024 II Seite 329 BB 2024 S. 1051 Nr. 19 BB 2024 S. 853 Nr. 16 BBK-Kurznachricht Nr. 10/2024 S. 440 BBK-Kurznachricht Nr. 10/2024 S. 440 BBK-Kurznachricht Nr. 10/2024 S. 441 BBK-Kurznachricht Nr. 10/2024 S. 441 BFH/NV 2024 S. 692 Nr. 6 BFH/NV 2024 S. 692 Nr. 6 BFH/PR 2024 S. 233 Nr. 8 BFH/PR 2024 S. 234 Nr. 8 DB 2024 S. 1387 Nr. 22 DB 2024 S. 1387 Nr. 22 DStR 2024 S. 860 Nr. 16 DStR-Aktuell 2024 S. 10 Nr. 15 DStRE 2024 S. 564 Nr. 9 GStB 2024 S. 25 Nr. 8 NWB-Eilnachricht Nr. 17/2024 S. 1150 NWB-Eilnachricht Nr. 17/2024 S. 1151 PStR 2024 S. 169 Nr. 8 StBp 2024 S. 186 Nr. 6 StBp 2024 S. 187 Nr. 6 StBp 2025 S. 26 Nr. 1 StuB-Bilanzreport Nr. 8/2024 S. 327 StuB-Bilanzreport Nr. 8/2024 S. 327 ZIP 2024 S. 4 Nr. 21 ZIP 2024 S. 4 Nr. 21 wistra 2024 S. 5 Nr. 5 wistra 2024 S. 5 Nr. 5 FAAAJ-64785