Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung - Einkommensanrechnung - Einkünfte aus Gewerbebetrieb - Gewinnermittlung - steuerlicher Verlustvortrag
Leitsatz
1. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine rückwirkende teilweise Aufhebung des Rentenbescheids vom lagen vor. Dieser verkörperte einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit die Beklagte darin den monatlichen Zahlbetrag der großen Witwenrente der Klägerin festgesetzt hatte. Insoweit trat eine Änderung der bei Bescheiderlass vorgelegenen tatsächlichen Verhältnisse ein, indem die Klägerin im Jahr 2007 und in den Folgejahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmerin erzielte. Diese Änderung war auch wesentlich i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, weil unter den nunmehr objektiv bestehenden Verhältnissen der (Dauer-)Verwaltungsakt so nicht mehr hätte erlassen werden dürfen. Die von der Klägerin ab dem Jahr 2007 erzielten Einkünfte waren auf ihre große Witwenrente anzurechnen mit der Folge, dass der Zahlungsanspruch der Klägerin für den Zeitraum ab dem in dem von der Beklagten festgesetzten Umfang entfiel.
2. Witwen- und Witwerrenten bezwecken den Ersatz des Unterhalts, der aufgrund des Todes des versicherten Ehe- oder Lebenspartners und des dadurch bedingten Wegfalls seines Einkommens nicht mehr gezahlt werden kann. Der Grund für die Kompensation aus der Versicherung des Verstorbenen entfällt oder verringert sich, wenn der überlebende Partner selbst Erwerbseinkommen erzielt. Hinterbliebenenrenten ist daher, anders als anderen Rentenarten, die Berücksichtigung einer typisierten Bedarfslage oder die genauere Festlegung eines individuellen Bedarfs unter Berücksichtigung des jeweiligen Einkommens eigen.
3. Der Zahlungsanspruch aus einer Hinterbliebenenrente wird auch nicht über Gebühr gemindert, indem ein steuerrechtlich akzeptierter Verlustvortrag unberücksichtigt bleibt. Soweit Sonderabschreibungen mit Subventionscharakter den Hintergrund des abschnittsübergreifenden Verlustabzugs bilden, war die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Hinterbliebenen schon im Verlustjahr hierdurch nicht gemindert. Inwieweit ein von der Finanzverwaltung gesondert festgestellter Verlustvortrag auf "realen" Verlusten beruht, ließe sich nur durch eine aufwändige "Auseinanderrechnung" ermitteln, denn ein Verlustvortrag wird periodisch fortgeschrieben. Dies würde zu einem unverhältnismäßigen und nicht zu bewältigenden Verwaltungsaufwand führen.
Tatbestand
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer: ECLI:DE:BSG:2024:220224UB5R323R0
Fundstelle(n): DStR-Aktuell 2024 S. 12 Nr. 18 DAAAJ-72342