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BGH Urteil v. - III ZR 421/23

Gesetze: § 286 Abs 1 S 1 ZPO, § 27 Abs 1 StGB, § 263 Abs 1 StGB, § 823 Abs 2 S 1 BGB, § 826 BGB, § 830 Abs 2 BGB

Zivilrechtliche Gehilfenhaftung einer Steuerberaterin bei Schneeballsystem

Leitsatz

1. Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende (Fallgruppe 1), so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird (Fallgruppe 2), so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ.

2. Mit der sich aufdrängenden Frage, ob die Beklagte angesichts einer Vielzahl von Belastungsindizien es für "sehr wahrscheinlich" oder jedenfalls "überwiegend wahrscheinlich" gehalten hat, dass der Geschäftstätigkeit der ENS ein betrügerisches "Schneeballsystem" zugrunde lag, und sie sich mit ihrer Tätigkeit für die ENS – nicht zuletzt zur Aufrechterhaltung ihres gehobenen Lebensstandards und des hohen Geschäftsführergehalts ihres Ehemanns – die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ (Fallgruppe 2), hat sich das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht auseinandergesetzt. Dabei war maßgeblich, ob es für die Beklagte Anhaltspunkte gab, die es als sehr oder jedenfalls überwiegend wahrscheinlich erscheinen ließen, dass die gesamte durch ihr Tun geförderte Geschäftstätigkeit der ENS auf die Begehung von Betrugsstraftaten angelegt war.

3. Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, diese jeweils nur einzeln abzuhandeln. Denn der Beweiswert einzelner Indizien ergibt sich regelmäßig erst aus dem Zusammenhang mit anderen Hilfstatsachen, weshalb der Inbezugsetzung der Indizien zueinander im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht zukommt. Auch wenn einzelne Hilfstatsachen jeweils für sich genommen nicht ausreichen, den Schluss auf die von einer Partei behauptete Haupttatsache zu begründen, können doch mehrere von ihnen in ihrer Gesamtheit und gegebenenfalls in Verbindung mit dem übrigen Prozessstoff eine tragfähige Grundlage für die Überzeugungsbildung des Tatrichters sein, die Haupttatsache sei gegeben.

Tatbestand

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:121224UIIIZR421.23.0

Fundstelle(n):
NJW 2025 S. 10 Nr. 5
NJW-RR 2025 S. 180 Nr. 3
SAAAJ-82297

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