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BGH Beschluss v. - I ZB 26/24

Gesetze: Art 6 Abs 1 Buchst b EGRL 29/2005, Art 7 Abs 1 EGRL 29/2005, Art 7 Abs 4 Buchst a EGRL 29/2005, Art 3 Nr 1 EUV 2017/2394, Art 3 Nr 2 EUV 2017/2394, Art 3 Nr 6 EUV 2017/2394, Art 3 Nr 9 EUV 2017/2394, Art 3 Nr 10 EUV 2017/2394, Art 3 Nr 14 EUV 2017/2394, Art 7 Abs 1 EUV 2017/2394, Art 9 Abs 1 EUV 2017/2394, Art 9 Abs 4 Buchst a EUV 2017/2394, Art 9 Abs 4 Buchst d EUV 2017/2394, Art 9 Abs 4 Buchst e EUV 2017/2394, Art 9 Abs 4 Buchst f EUV 2017/2394, Art 10 Abs 1 EUV 2017/2394, Art 10 Abs 2 EUV 2017/2394, Art 12 Abs 1 EUV 2017/2394, Art 14 Abs 2 Buchst c EUV 2017/2394, Art 36 Abs 2 EUV 2017/2394, § 2 Nr 1 Buchst a VSchDG, § 6 Abs 1 VSchDG, § 6 Abs 4 VSchDG, § 7 Abs 1 VSchDG, § 13 Abs 1 S 1 Nr 1 VSchDG, § 13 Abs 4 VSchDG, § 20 Abs 2 VSchDG, § 22 S 1 Nr 2 VSchDG, § 24 Abs 1 VSchDG, § 26 Abs 3 VSchDG, § 26 Abs 4 VSchDG, § 26 Abs 5 VSchDG, § 27 S 2 VSchDG, § 113 Abs 1 S 1 VwGO, § 114 S 1 VwGO, § 293 ZPO, § 560 ZPO, § 576 Abs 3 ZPO

Untersagung einer Werbung für Fernbusreisen mit den Bezeichnungen "umweltfreundlich" ("milieuvriendelijk") und/oder "klimafreundlich" ("klimaatvriendelijk") durch das Umweltbundesamt; Ermittlung ausländischen Rechts - Fernbus in Belgien

Leitsatz

 Fernbus in Belgien

1.    Die Rechtmäßigkeit einer von der zuständigen deutschen Behörde (hier: dem Umweltbundesamt) auf Ersuchen einer für die Verfolgung irreführender Angaben gegenüber Verbrauchern zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats der Europäischen Union (hier: der belgischen Generaldirektion Wirtschaftsinspektion, ADEI) auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 2017/2394 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden (ABl. EU 2017 L 345 S. 1, Consumer Protection Cooperation - CPC-Verordnung) gegen ein in Deutschland ansässiges Unternehmen erlassenen Untersagungsanordnung setzt nicht voraus, dass eine den innerstaatlichen Anforderungen des belgischen Rechts genügende "Grundverfügung" der ADEI als ersuchende Behörde vorliegt. Die Befugnisse der ersuchenden Behörde ergeben sich vielmehr ebenso wie diejenigen der ersuchten Behörde unmittelbar aus den Bestimmungen der CPC-Verordnung.

2.    Die gegen die im Rahmen eines Verfahrens gemäß der CPC-Verordnung ergangene Beschwerdeentscheidung erhobene Rechtsbeschwerde kann nicht auf eine Verletzung von ausländischem Recht gestützt werden. An die Feststellungen des Beschwerdegerichts, die das Bestehen und den Inhalt des materiellen ausländischen Rechts betreffen, ist das Rechtsbeschwerdegericht vielmehr gebunden. Auch die Anwendung ausländischen Rechts durch das Tatgericht kann durch das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich nicht nachgeprüft werden.

3.    Allerdings kann mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden, das ausländische Recht sei unter Verletzung der Maßstäbe des § 293 ZPO unzureichend oder fehlerhaft ermittelt worden. Diese Rügemöglichkeit ist indessen beschränkt. Sie besteht nicht, wenn mit ihr in Wirklichkeit die Nachprüfung irrevisiblen ausländischen Rechts bezweckt wird. Außerdem überprüft das Rechtsbeschwerdegericht lediglich, ob das Tatgericht das ihm eingeräumte pflichtgemäße Ermessen fehlerfrei ausgeübt, insbesondere die sich anbietenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat. Dabei werden die Grenzen der Ermessensausübung des Tatgerichts durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalls gezogen.

4.    An die Ermittlungspflicht des deutschen Tatgerichts sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je komplexer oder fremder im Vergleich zum eigenen das anzuwendende ausländische Recht ist, während es im umgekehrten Fall, in dem eine Norm des ausländischen Rechts - etwa aufgrund einer unionsrechtlichen Harmonisierung - mit einer Vorschrift des inländischen Rechts übereinstimmt, nicht selten naheliegt, dem ausländischen Rechtssatz dieselbe Bedeutung wie der entsprechenden inländischen Vorschrift beizumessen.

5.    Bei der für die Irreführungsverbote gemäß Art. 6 und 7 der Richtlinie 2005/29/EG maßgeblichen Frage, wie der angesprochene Durchschnittsverbraucher die angegriffenen Angaben versteht, geht es nicht um eine reine Tatsachenfeststellung im eigentlichen Sinne, sondern um eine Rechtsfrage, die dem Anwendungsbereich von § 293 ZPO unterfällt. Da die nationalen Gerichte wegen des harmonisierten Begriffs des Durchschnittsverbrauchers in der Regel in gleicher Weise beurteilen dürfen, ob eine Werbeaussage irreführend ist (vgl. , WRP 1998, 848 [juris Rn. 32] - Gut Springenheide und Tusky), genügt es grundsätzlich den Anforderungen des § 293 ZPO, wenn das Tatgericht zum einen die Anschauung des deutschen Durchschnittsverbrauchers feststellt und zum anderen die Feststellung trifft, dass sich die Anschauungen des Durchschnittsverbrauchers in einem anderen Mitgliedstaat davon nicht entscheidungserheblich unterscheiden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:200225BIZB26.24.0

Fundstelle(n):
BB 2025 S. 641 Nr. 12
NJW-RR 2025 S. 675 Nr. 11
WM 2025 S. 677 Nr. 15
MAAAJ-86171

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