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BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 1718/24

Gesetze: Art 19 Abs 4 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 52d S 2 FGO, § 56 FGO, § 86d Abs 1 StBerG, § 157e StBerG

Stattgebender Kammerbeschluss: Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im finanzgerichtlichen Verfahren bei fehlender Möglichkeit zur Nutzung des "besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs" (beSt) im Übergangszeitraum 2022/2023 - Verletzung des Gebots effektiven Rechtsschutzes durch Versagung der Wiedereinsetzung

Leitsatz

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Sie entspricht insbesondere den Anforderungen des Subsidiaritätsgrundsatzes, wonach vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen sind, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern.

2. Der Beschwerdeführer war unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität nicht gehalten, im Wege des „Fast Lane“-Verfahrens eine Kennung zu beantragen. Die Informationslage zum Zeitpunkt der Klageerhebung legte die Stellung eines „Fast Lane“ Antrags unter Subsidiaritätsgesichtspunkten nicht nahe. Zwar empfahl die Kammer in ihren geänderten FAQ vom – und damit noch innerhalb der Klagefrist – sodann einen solchen Antrag, doch war die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers unter Subsidiaritätsgründen nicht gehalten, nach Erhebung der Klage fortlaufend die Website der Bundessteuerberaterkammer auf Aktualisierungen der Empfehlungen zu prüfen.

3. Die Verfassungsbeschwerde ist auch offensichtlich begründet. Das klageabweisende Urteil verletzt das Gebot effektiven Rechtschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) jedenfalls deshalb, weil das FG mit der gegebenen Begründung den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist nicht hätte ablehnen dürfen.

4. Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BFH verletzt das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) des Beschwerdeführers. Soweit der Beschwerdeführer in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt hat, warum das FG den Sinn der Ausführungen in dem Anschreiben zur Klageschrift missdeutet habe, als es daraus auf eine positive Kenntnis von der beSt-Nutzungspflicht geschlossen habe, handelte es sich um Kernvortrag zu einer für das Verfahren zentralen Frage. Gleichwohl hat der BFG diesen Kernvortrag nicht verbeschieden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250623.1bvr171824

Fundstelle(n):
AO-StB 2025 S. 279 Nr. 9
AO-StB 2025 S. 280 Nr. 9
BB 2025 S. 1749 Nr. 31
DStR 2025 S. 1698 Nr. 30
DStRE 2025 S. 1013 Nr. 16
NJW 2025 S. 2686 Nr. 37
NJW 2025 S. 2688 Nr. 37
NWB-Eilnachricht Nr. 30/2025 S. 2089
StuB-Bilanzreport Nr. 15/2025 S. 596
WPg 2025 S. 1096 Nr. 19
YAAAJ-95628

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