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EuGH Urteil v. - C-254/23

Gesetze: AEUV Art. 14, AEUV Art. 49, AEUV Art. 56, AEUV Art. 106 Abs. 2, EUGrdRCh Art. 16, EUGrdRCh Art. 17, EUGrdRCh Art. 52, RL 2006/123/EG Art. 1, RL 2006/123/EG Art. 2, RL 2006/123/EG Art. 4, RL 2006/123/EG Art. 15, RL 2008/98/EG Art. 8, RL 2008/98/EG Art. 8a, RL 2008/98/EG Art. 15, RL 2008/98/EG Art. 17a

Vorlage zur Vorabentscheidung – Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr – Art. 49 und 56 AEUV – Protokoll (Nr. 26) über Dienste von allgemeinem Interesse im Anhang zum EU-Vertrag und zum AEU-Vertrag – Dienstleistungen im Binnenmarkt – Richtlinie 2006/123/EG – Anwendungsbereich – Monopole und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse – Zu prüfende Anforderungen – Art. 15 – Abfälle – Richtlinie 2008/98/EG – Regime der erweiterten Herstellerverantwortung – Art. 8 und 17a – Schaffung eines Marktmonopols für die gemeinsame Durchsetzung von Verpflichtungen im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung – Einzige Organisation ohne Gewinnerzielungsabsicht – Art. 106 Abs. 2 AEUV – Begriff des Unternehmens – Modalitäten der Errichtung und der Funktionsweise – Übergangsmodalitäten – Mitgliedschaftspflicht der Hersteller, die der erweiterten Verantwortung unterliegen – Art. 16 und 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Unternehmerische Freiheit und Eigentumsrecht – Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes – Verhältnismäßigkeit

Leitsatz

1.

Art. 106 Abs. 2 AEUV

ist dahin auszulegen, dass

eine juristische Person, der zum einen das ausschließliche Recht zusteht, im Einklang mit den Art. 8 und 8a der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien in der durch die Richtlinie (EU) 2018/851 des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung eine Tätigkeit auszuüben, die darin besteht, für eine bestimmte Produktkategorie im gesamten Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Verpflichtungen im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung für die betreffenden Hersteller umzusetzen, und die zum anderen mit dieser Tätigkeit keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen darf, als ein mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrautes Unternehmen im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV anzusehen ist, sofern diese juristische Person tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut wurde und Art, Dauer und Umfang ihrer Verpflichtungen im nationalen Recht klar definiert sind.

2.

Die Art. 8 und 8a der Richtlinie 2008/98 in der durch die Richtlinie 2018/851 geänderten Fassung, Art. 15 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, die Art. 49, 56 und 106 AEUV, die Art. 16 und 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

sind dahin auszulegen, dass

sie, vorbehaltlich der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die

  • durch die Errichtung einer mit der gemeinsamen Umsetzung der Verpflichtungen im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung betrauten Organisation, die das ausschließliche Recht hat, diese Tätigkeit für eine bestimmte Produktkategorie auszuüben, eine Monopolstellung schafft und zugleich sowohl den Widerruf ex lege der Genehmigungen, die den Wirtschaftsteilnehmern bis dahin die Ausübung dieser Tätigkeit ermöglichten, als auch die Auflösung ex lege aller von diesen Wirtschaftsteilnehmern in Ausübung der Tätigkeit geschlossenen Verträge vorsieht, sofern mit dieser Regelung zum einen die Schaffung eines normativen Rahmens einhergeht, der zu gewährleisten vermag, dass der Inhaber des Monopols tatsächlich in der Lage sein wird, die Ziele des Schutzes der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit, die sich der betreffende Mitgliedstaat gesetzt hat, mittels eines quantitativ und qualitativ an diesen Zielen ausgerichteten und einer strengen behördlichen Kontrolle unterliegenden Angebots in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen, und sofern sie zum anderen Anpassungen bei der Anwendung der neuen Vorschriften vorsieht, die geeignet sind, jede übermäßige Belastung der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer zu vermeiden, insbesondere einen Übergangszeitraum, der lang genug ist, um es ihnen zu ermöglichen, sich auf die Änderungen einzustellen, oder ein System für den angemessenen Ausgleich des ihnen entstandenen Schadens;

  • diese Organisation verpflichtet, ihre Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht auszuüben;

  • vorsieht, dass Hersteller, die Verpflichtungen im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung unterliegen und mindestens 51 % der Gesamtmenge einer unter diese erweiterte Verantwortung fallenden Produktkategorie in Verkehr bringen, eine solche Organisation errichten und sich an ihr beteiligen müssen;

  • vorsieht, dass die Inhaber einer Beteiligung an dieser Organisation Hersteller auf dem betreffenden Markt sein müssen;

  • vorsieht, dass diese Hersteller keine Tätigkeit der Sammlung und Behandlung von Abfällen ausüben dürfen und dass zwischen der genannten Organisation, den Mitgliedern ihres Leitungsorgans und den an ihr beteiligten Herstellern einerseits und den mit der Sammlung und Behandlung der Abfälle befassten Personen sowie den Personen, die ein Stimmrecht im Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan der Organisation haben, andererseits keine kapitalmäßigen Verflechtungen oder verwandtschaftlichen Beziehungen bestehen dürfen;

  • den Herstellern von Produkten, die der erweiterten Herstellerverantwortung unterliegen, die gemeinsame Umsetzung ihrer Verpflichtungen im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung auferlegt und ihnen vorschreibt, mit einer Organisation, die über ein ausschließliches Recht zur Ausübung dieser Tätigkeit verfügt, einen Vertrag zu schließen, sofern diese Pflichten mit ausreichenden Verfahrensgarantien, insbesondere in Bezug auf etwaige Interessenkonflikte oder Wettbewerbsnachteile, einhergehen, die es ermöglichen, jede übermäßige, aus willkürlichen oder unvorhersehbaren Auswirkungen auf ihre Vertragsbeziehungen resultierende Belastung der betreffenden Hersteller bei der Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu verhindern.

ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:569

Fundstelle(n):
IAAAJ-96734

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