Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 203 – In der Rechnung falsch ausgewiesener Mehrwertsteuerbetrag – Art. 238 – Vereinfachte Rechnungslegung – Nichtsteuerpflichtigen und Steuerpflichtigen, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, in Rechnung gestellte Leistungen – Verpflichtung zur Zahlung des zu Unrecht in Rechnung gestellten Teils der Mehrwertsteuer – Keine Gefährdung des Steueraufkommens
Leitsatz
Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie (EU) 2018/1695 des Rates vom geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
ein Steuerpflichtiger, der eine Leistung erbracht und in seiner Rechnung einen Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen hat, der auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechnet wurde, den einem Nichtsteuerpflichtigen zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht schuldet, selbst wenn er gleichartige Leistungen auch an andere Steuerpflichtige erbracht hat.
Die Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2018/1695 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
nur nicht steuerpflichtige Personen als „Endverbraucher, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind“, im Sinne des Urteils vom , Finanzamt Österreich (Endverbrauchern fälschlicherweise in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer) (C‑378/21, EU:C:2022:968), einzustufen sind. Somit fallen Steuerpflichtige, die in einer bestimmten Situation nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, nicht unter diese Wendung.
Die Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2018/1695 geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
sie dem nicht entgegensteht, dass im Fall einer vereinfachten Rechnungslegung gemäß Art. 238 der Richtlinie 2006/112 in geänderter Fassung eine Steuerbehörde oder ein nationales Gericht durch Schätzung ermittelt, für welchen Anteil der Rechnungen ein Steuerpflichtiger, der zu Unrecht Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt hat, diese Steuer nach Art. 203 der Richtlinie 2006/112 in geänderter Fassung schuldet, sofern bei einer solchen Schätzung alle relevanten Umstände berücksichtigt werden und der Steuerpflichtige unter Beachtung der Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Verhältnismäßigkeit sowie der Verteidigungsrechte die Möglichkeit hat, die mit dieser Methode erzielten Ergebnisse in Frage zu stellen.