Leitsatz
Ein Mitgliedstaat, der die
Eintragung der Zweigniederlassung einer Gesellschaft verweigert, die in einem
anderen Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz hat, rechtmässig errichtet
worden ist, aber keine Geschäftstätigkeit entfaltet, verstösst
gegen die Artikel 52 und 58 des Vertrages, wenn die Zweigniederlassung es der
Gesellschaft ermöglichen soll, ihre gesamte Geschäftstätigkeit
in dem Staat auszuüben, in dem diese Zweigniederlassung errichtet wird,
ohne dort eine Gesellschaft zu errichten und damit das dortige Recht über
die Errichtung von Gesellschaften zu umgehen, das höhere Anforderungen an
die Einzahlung des Mindestgesellschaftskapitals stellt. Das Recht, eine
Gesellschaft nach dem Recht eines Mitgliedstaats zu errichten und in anderen
Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen zu gründen, folgt nämlich im
Binnenmarkt unmittelbar aus der vom Vertrag gewährleisteten
Niederlassungsfreiheit, so daß es für sich allein keine
mißbräuchliche Ausnutzung des Niederlassungsrechts darstellen kann,
wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der eine Gesellschaft
gründen möchte, diese in dem Mitgliedstaat errichtet, dessen
gesellschaftsrechtliche Vorschriften ihm die grösste Freiheit lassen, und
in anderen Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen gründet.
Diese Auslegung schließt jedoch
nicht aus, daß die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats alle
geeigneten Maßnahmen treffen können, um Betrügereien zu
verhindern oder zu verfolgen. Das gilt sowohl - gegebenenfalls im
Zusammenwirken mit dem Mitgliedstaat, in dem sie errichtet wurde -
gegenüber der Gesellschaft selbst als auch gegenüber den
Gesellschaftern, wenn diese sich mittels der Errichtung der Gesellschaft ihren
Verpflichtungen gegenüber inländischen privaten oder
öffentlichen Gläubigern entziehen
möchten.