Leitsatz
1. Vorabentscheidungsfragen, die
in einem Rechtsstreit über die Bewertung einer Rückstellung für
zu vermutende Verluste aus einer Risikounterbeteiligung eines Kreditinstituts
an einem Darlehen vorgelegt werden und die Auslegung der Vierten Richtlinie
78/660 über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen
betreffen, sind - ungeachtet dessen, dass die Mitgliedstaaten zur Zeit der im
Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse nicht verpflichtet waren, die
Bestimmungen der Vierten Richtlinie auf den Jahresabschluss einer Einheit wie
der im vorliegenden Fall betroffenen anzuwenden, dass die nationalen
Rechtsvorschriften, mit denen die Vierte Richtlinie umgesetzt wurde, die von
dieser aufgestellten Grundsätze nicht wörtlich übernommen haben
und dass sich die für Steuerbilanzen geltende Regelung nur mittelbar auf
diese nationalen Umsetzungsvorschriften stützt und demzufolge die Vierte
Richtlinie außerhalb des von dieser erfassten Kontextes umsetzt -
zulässig, wenn
- die Probleme der Auslegung des
Gemeinschaftsrechts, deren Klärung das vorlegende Gericht anstrebt, sich
im Wesentlichen auf das nach der Vierten Richtlinie verlangte
Rechnungslegungskonzept beziehen,
- die fraglichen Bestimmungen nach
den maßgebenden Ereignissen ohne Änderung auf Einheiten wie die im
vorliegenden Fall betroffene erstreckt worden sind und die
Vorabentscheidungsfragen somit weder allgemein noch hypothetisch sind,
- nichts in den Vorschriften des
nationalen Rechts bei der Aufstellung der Rechnungsabschlüsse solcher
Einheiten der uneingeschränkten Beachtung des Zweckes, der Grundsätze
und der Bestimmungen dieser Richtlinie entgegenstand.
( vgl. Randnrn. 78, 90-92, 94, Tenor
1 )
2. Die Vierte Richtlinie 78/660
über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen
schließt nicht aus, dass nach ihrem Artikel 20 Absatz 1 zu vermutende
Verluste oder Verbindlichkeiten aufgrund einer gemäß Artikel 14
dieser Richtlinie unter der Bilanz angegebenen Verpflichtung auf der
Passivseite der Bilanz als Rückstellung ausgewiesen werden, sofern der
fragliche Verlust oder die fragliche Verbindlichkeit am Bilanzstichtag als
wahrscheinlich oder sicher" qualifiziert werden kann; dies zu beurteilen ist
Sache des vorlegenden Gerichts.
Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe e
dieser Richtlinie, dem zufolge die in den Aktiv- und Passivposten enthaltenen
Vermögensgegenstände einzeln zu bewerten sind, schließt nicht
aus, dass zur Wahrung der Grundsätze der Vorsicht und des den
tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der
Vermögenslage eine pauschale Beurteilung aller relevanten Gesichtspunkte
die geeignetste Bewertungsmethode darstellt. Da die Vierte Richtlinie keine
Detailregelungen enthält, sondern sich darauf beschränkt, allgemeine
Grundsätze aufzustellen, ohne zu versuchen, alle denkbaren Anwendungen
dieser Grundsätze zu regeln, ist die Bewertung der relevanten
Gesichtspunkte - gegebenenfalls unter Berücksichtigung internationaler
Rechnungslegungsstandards (IAS) - nach dem nationalen Recht vorzunehmen, wobei
stets die in dieser Richtlinie aufgestellten allgemeinen Grundsätze
uneingeschränkt zu beachten sind.
( vgl. Randnrn. 112, 116, 118-119,
Tenor 2 )
3. Nach Artikel 31 Absatz 1 Buchstabe
c bb der Vierten Richtlinie 78/660 über den Jahresabschluss von
Gesellschaften bestimmter Rechtsformen müssen für die Bewertung der
Posten im Jahresabschluss alle voraussehbaren Risiken und zu vermutenden
Verluste berücksichtigt werden, die in dem Geschäftsjahr oder einem
früheren Geschäftsjahr entstanden sind; für die Bewertung der
Aktiva und Passiva ist somit grundsätzlich auf den Bilanzstichtag
abzustellen.
Die nach dem Bilanzstichtag erfolgte
Rückzahlung eines Kredits stellt insoweit keine Tatsache dar, die eine
rückwirkende Neubewertung einer Rückstellung erfordert, die sich auf
diesen Kredit bezieht und auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen ist. Die
Beachtung des Grundsatzes des den tatsächlichen Verhältnissen
entsprechenden Bildes verlangt jedoch, dass im Jahresabschluss der Wegfall des
mit dieser Rückstellung erfassten Risikos erwähnt wird.
( vgl. Randnrn. 121, 126, Tenor 3
)