Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
EuGH Urteil v. - C-45/01

Gesetze: Richtlinie 77/388 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b; Richtlinie 77/388 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c

Umsatzsteuerpflicht auf Leistungen einer als Stiftung des privaten Rechts organisierten Ambulanz - Begriff „ärztliche Heilbehandlung„

Leitsatz

1. Die in der Ambulanz einer Stiftung des privaten Rechts von Diplompsychologen, die keine Ärzte sind, ausgeführten psychotherapeutischen Behandlungen stellen keine mit Krankenhausbehandlung oder ärztlicher Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze" im Sinne der Befreiung in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie 77/388 dar, es sei denn, dass diese Behandlungen tatsächlich als Nebenleistungen zu einer die Hauptleistung darstellenden Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung ihrer Empfänger erbracht werden.

Dagegen ist der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff ärztliche Heilbehandlung" dahin auszulegen, dass er sämtliche Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin im Sinne von Absatz 1 Buchstabe c und insbesondere Leistungen von Personen umfasst, die keine Ärzte sind, aber arztähnliche Leistungen erbringen, wie es bei psychotherapeutischen Behandlungen durch Diplompsychologen der Fall ist. Diese Behandlungen erfuellen nämlich die Bedingung einer therapeutischen Zielsetzung, und zwar der Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen.

( vgl. Randnrn. 35, 48, 51, Tenor 1 )

2. Ein Mitgliedstaat kann nicht rechtswirksam zum Zweck der in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie 77/388 vorgesehenen Befreiung die Anerkennung von anderen... Einrichtungen gleicher Art" wie Krankenanstalten und Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik von der Bedingung abhängig machen, dass die arztähnlichen Leistungen dieser anderen Einrichtungen unter ärztlicher Aufsicht erbracht werden. Da eine solche Bedingung dazu führt, dass Leistungen, die unter der alleinigen Verantwortung von Angehörigen arztähnlicher Berufe erbracht werden, von der Befreiung ausgeschlossen werden, überschreitet sie die Grenzen des den Mitgliedstaaten durch die genannte Bestimmung eingeräumten Ermessens, denn der Begriff ärztliche Heilbehandlung" in dieser Bestimmung umfasst nicht nur Leistungen, die unmittelbar von Ärzten oder anderen Heilkundigen unter ärztlicher Aufsicht erbracht werden, sondern auch arztähnliche Leistungen, die in Krankenhäusern unter der alleinigen Verantwortung von Personen erbracht werden, die keine Ärzte sind.

( vgl. Randnrn. 70-71 )

3. Die Anerkennung einer anderen... Einrichtung gleicher Art" wie Krankenanstalten und Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik im Sinne der Befreiung in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie 77/388 setzt kein förmliches Anerkennungsverfahren voraus und muss sich nicht unbedingt aus innerstaatlichen Vorschriften mit steuerrechtlichem Charakter ergeben.

Enthalten die innerstaatlichen Vorschriften über die Anerkennung Beschränkungen, die die Grenzen des den Mitgliedstaaten durch die genannte Bestimmung eingeräumten Ermessens überschreiten, und insbesondere einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung mit anderen Wirtschaftsteilnehmern, die die gleichen Leistungen unter vergleichbaren Umständen erbringen, so ist es Sache des nationalen Gerichts, anhand aller relevanten Gesichtspunkte zu ermitteln, ob ein Steuerpflichtiger gleichwohl als andere ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung gleicher Art" im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist.

( vgl. Randnrn. 69, 74, 76, Tenor 2 )

4. Die Befreiung von Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung ärztlicher und arztähnlicher Berufe erbracht werden, in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388 ist von der Rechtsform des Steuerpflichtigen, der die dort genannten Leistungen erbringt, unabhängig, so dass psychotherapeutische Behandlungen, die eine Stiftung des privaten Rechts mit bei ihr beschäftigten Psychotherapeuten ausführt, unter diese Befreiung fallen können.

( vgl. Randnr. 21, Tenor 3 )

5. Auf die Bestimmungen von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstaben b und c der Sechsten Richtlinie 77/388 über die Befreiung der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung sowie der mit ihnen eng verbundenen Umsätze und von Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung ärztlicher und arztähnlicher Berufe erbracht werden, kann sich ein Steuerpflichtiger vor einem nationalen Gericht berufen, um gegen die Anwendung einer mit diesen Bestimmungen unvereinbaren innerstaatlichen Regelung vorzugehen. Dass sie den Mitgliedstaaten ein Ermessen einräumen bei der Festlegung der Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts" sind, aber in den Genuss der in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe b vorgesehenen Befreiung kommen können, sowie der arztähnlichen Berufe, denen die in Buchstabe c dieses Absatzes vorgesehene Befreiung gewährt werden kann, hindert den Einzelnen, der nach objektiven Kriterien die dem Gemeinwohl dienenden Leistungen erbringt, auf die sich die genannten Befreiungen beziehen, nicht daran, sich gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften unmittelbar auf die Bestimmungen der Sechsten Richtlinie zu berufen.

( vgl. Randnrn. 81, 84, Tenor 4 )

Fundstelle(n):
HAAAB-72826

In diesem Produkt ist das Dokument enthalten:

SIS Datenbank