Leitsatz
1. Zu der Frage, ob Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 GG
eine absolute Obergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung
(„Halbteilungsgrundsatz”) für die Belastung mit Einkommen-
und Gewerbesteuer bestimmt.
2. Die Belastung mit Steuern bietet den im
Verhältnismäßigkeitsprinzip enthaltenen Geboten der Eignung und
der Erforderlichkeit kaum greifbare Ansatzpunkte für eine Begrenzung.
Jenseits „erdrosselnder”, die Steuerquelle selbst vernichtender
Belastung, die schon begrifflich kaum noch als Steuer qualifiziert werden kann,
werden Steuern mit dem Zweck, Einnahmen zur Deckung des staatlichen
Finanzbedarfs zu erzielen, gemessen an diesem Zweck grundsätzlich immer
geeignet und erforderlich sein. Allein aus der
Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, im Rahmen einer
Gesamtabwägung zur Angemessenheit und Zumutbarkeit der Steuerbelastung,
können sich Obergrenzen für eine Steuerbelastung ergeben.
3. Die zu bewertende Intensität der Steuerbelastung insbesondere
bei der Einkommensteuer wird nicht allein durch die Höhe des Steuersatzes
bestimmt, sondern erst durch die Relation zwischen Steuersatz und
Bemessungsgrundlage. Je breiter die Bemessungsgrundlage ausgestaltet ist, etwa
durch Abschaffung steuerlicher Verschonungssubventionen oder Kürzung von
Abzügen wegen beruflich oder privat veranlasster Aufwendungen, desto
belastender wirkt sich derselbe Steuersatz für die Steuerpflichtigen aus.
Entsprechend wirkt derselbe Steuersatz desto weniger belastend, je schmaler die
Bemessungsgrundlage ausfällt, in je geringerem Umfang also die - durch
großzügige Abzugstatbestände geminderten - Einnahmen in der
Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden.
4. Wählt der Gesetzgeber einen progressiven Tarifverlauf, ist es
grundsätzlich nicht zu beanstanden, hohe Einkommen auch hoch zu belasten,
soweit beim betroffenen Steuerpflichtigen nach Abzug der Steuerbelastung ein -
absolut und im Vergleich zu anderen Einkommensgruppen betrachtet - hohes, frei
verfügbares Einkommen bleibt, das die Privatnützigkeit des Einkommens
sichtbar macht. Ist letzteres gewährleistet, liegt es weitgehend im
Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, die Angemessenheit im Sinne vertikaler
Steuergerechtigkeit selbst zu bestimmen. Auch wenn dem Übermaßverbot
keine zahlenmäßig zu konkretisierende allgemeine Obergrenze der
Besteuerung entnommen werden kann, darf allerdings die steuerliche Belastung
auch höherer Einkommen für den Regelfall nicht so weit gehen, dass
der wirtschaftliche Erfolg grundlegend beeinträchtigt wird und damit nicht
mehr angemessen zum Ausdruck kommt.
(Leitsätze 2, 3, 4 nicht
amtlich)
Fundstelle(n):
BBV-Kurznachricht Nr. 4/2006 S. 104
BFH/NV-Beilage 2006 S. 368 Nr. 3
DB 2006 S. 756 Nr. 14
DStR 2006 S. 555 Nr. 13
DStRE 2006 S. 510 Nr. 8
DStZ 2006 S. 245 Nr. 8
DStZ 2006 S. 269 Nr. 8
FR 2006 S. 635 Nr. 14
GStB 2006 S. 152 Nr. 5
GStB 2006 S. 152 Nr. 5
HFR 2006 S. 507 Nr. 5
KÖSDI 2006 S. 15035 Nr. 4
NJW 2006 S. 1191 Nr. 17
NWB-Eilnachricht Nr. 13/2006 S. 1001
SJ 2006 S. 26 Nr. 6
SJ 2006 S. 4 Nr. 8
StBW 2006 S. 1 Nr. 6
StuB-Bilanzreport Nr. 7/2006 S. 281
DAAAB-80025