Leitsatz
1. Einem Antrag auf Anordnung einer
Beweisaufnahme durch den Gerichtshof gemäß Artikel 60 der Verfahrensordnung,
den eine Partei nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung stellt, kann nur
stattgegeben werden, wenn er Tatsachen betrifft, die einen
entscheidenden Einfluß ausüben können und die der Betroffene nicht schon vor
dem Schluß der mündlichen Verhandlung geltend machen
konnte.
2. Im Rahmen der durch Artikel 177
des Vertrages geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den
nationalen Gerichten ist es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten
nationalen Gerichts, das die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche
Entscheidung übernehmen muß, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache
sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlaß seines Urteils
als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen daher die
vorgelegten Fragen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof
grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden.
Es obliegt jedoch dem Gerichtshof, zur Prüfung seiner
eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er vom
vorlegenden Gericht angerufen worden ist. Denn der Geist
der Zusammenarbeit, der den Ablauf des Vorabentscheidungsverfahrens bestimmen
muß, verlangt, daß das vorlegende Gericht seinerseits die dem Gerichtshof
übertragene Aufgabe berücksichtigt, die darin besteht, zur
Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, und nicht
darin, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben.
Mit Rücksicht auf diese Aufgabe ist der Gerichtshof ausserstande, über eine von
einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage zu befinden, wenn offensichtlich ist, daß
die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer
Gemeinschaftsvorschrift, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit
der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, oder wenn das Problem
hypothetischer Natur ist und der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen oder
rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche
Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.
Insoweit sind Fragen, die ein nationales Gericht
stellt, das über Feststellungsklagen zu entscheiden hat, mit denen die
Verletzung eines ernsthaft bedrohten Rechts verhindert werden soll und die sich
zwar zwangsläufig auf ihrem Wesen nach ungewisse Prognosen stützen, aber von diesem Gericht in
Auslegung seines nationalen Rechts für zulässig erachtet
werden, als zur Entscheidung des Rechtsstreits, mit dem es befasst ist,
objektiv erforderlich anzusehen.
3. Nach den Zielen der Gemeinschaft
fällt die Ausübung des Sports
insoweit unter das Gemeinschaftsrecht, als sie zum
Wirtschaftsleben im Sinne von Artikel 2 des Vertrages gehört; dies trifft auf
die Tätigkeit von Fußballprofis oder -halbprofis zu, da diese eine
unselbständige Tätigkeit ausüben oder entgeltliche Dienstleistungen
erbringen.
4. Zur Anwendung der
Gemeinschaftsbestimmungen über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer ist es nicht erforderlich,
daß der Arbeitgeber die Unternehmenseigenschaft besitzt, da nur verlangt wird,
daß ein Arbeitsverhältnis oder der Wille vorliegt, ein solches Verhältnis zu begründen.
5. Regeln, die die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen
den Arbeitgebern eines Tätigkeitsbereichs betreffen, fallen in den
Geltungsbereich der Gemeinschaftsbestimmungen über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer, wenn ihre Anwendung die
Beschäftigungsbedingungen der Arbeitnehmer beeinflusst.
Dies ist bei Regeln über den Transfer von Spielern zwischen
Fußballvereinen der Fall, die, auch wenn sie die wirtschaftlichen Beziehungen
zwischen Vereinen und nicht die Arbeitsverhältnisse zwischen Vereinen und
Spielern betreffen, aufgrund der Verpflichtung der Vereine als Arbeitgeber, bei
der Einstellung eines Spielers von einem anderen Verein Entschädigungen zu
zahlen, die Möglichkeiten für die Spieler beeinflussen, eine Beschäftigung zu
finden, wie auch die Bedingungen, zu denen diese Beschäftigung angeboten
wird.
6. Die Gemeinschaftsbestimmungen
über die Freizuegigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr stehen
Regelungen oder Praktiken im Bereich des Sports nicht
entgegen, die aus nichtwirtschaftlichen Gründen, die mit
dem spezifischen Charakter und Rahmen bestimmter Wettkämpfe zusammenhängen,
gerechtfertigt sind. Diese Beschränkung des Geltungsbereichs der fraglichen
Bestimmungen darf jedoch nicht weiter gehen, als ihr Zweck es erfordert, und
kann nicht herangezogen werden, um eine sportliche Tätigkeit im
ganzen vom Geltungsbereich des Vertrages
auszuschließen.
7. Die durch Artikel 48 des
Vertrages
garantierte Freizuegigkeit der Arbeitnehmer, die im System der
Gemeinschaften eine grundlegende Freiheit darstellt, kann in ihrer Tragweite
nicht durch die Verpflichtung der Gemeinschaft eingeschränkt werden, bei der
Ausübung der ihr durch
Artikel 128 Absatz 1
EG-Vertrag im Kulturbereich eingeräumten Befugnisse
beschränkten Umfangs die nationale und regionale Vielfalt der Kulturen der Mitgliedstaaten zu
wahren.
8. Der Grundsatz der
Vereinigungsfreiheit, der in Artikel 11 der Europäischen
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten verankert ist und sich aus den gemeinsamen
Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, gehört zu den
Grundrechten, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes, die im
übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte und durch
Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union erneut bekräftigt
wurde, in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden.
Jedoch ist nicht davon auszugehen,
daß die von Sportverbänden aufgestellten Regeln, die die Freizuegigkeit der Berufssportler beeinträchtigen können,
erforderlich sind, um die Ausübung dieser Freiheit durch die genannten
Verbände, die Vereine oder die Spieler zu gewährleisten, oder daß sie eine
unausweichliche Folge dieser Freiheit darstellen.
9. Das Subsidiaritätsprinzip darf
selbst bei weitem Verständnis, nach dem sich das Tätigwerden der
Gemeinschaftsbehörden im Bereich der Organisation sportlicher Tätigkeiten auf das unbedingt
erforderliche Maß beschränken muß, nicht dazu führen, daß die Autonomie, über
die die privaten Verbände beim Erlaß von Sportregelungen verfügen, die Ausübung der dem einzelnen
durch den Vertrag verliehenen Rechte wie des Rechts auf Freizuegigkeit einschränkt.
10. Artikel 48 des Vertrages gilt
nicht nur für behördliche Maßnahmen, sondern erstreckt sich auch auf
Vorschriften anderer Art, die zur
kollektiven Regelung unselbständiger Arbeit dienen.
Zum einen wäre nämlich die
Beseitigung der Hindernisse für die Freizuegigkeit zwischen den Mitgliedstaaten gefährdet, wenn
die Abschaffung der Schranken staatlichen Ursprungs durch Hindernisse zunichte
gemacht werden könnte, die sich daraus ergeben, daß nicht dem öffentlichen
Recht unterliegende Vereinigungen oder Einrichtungen von ihrer
rechtlichen Autonomie Gebrauch machen. Zum anderen könnten sich aus einer
Beschränkung des Gegenstands dieses Artikels auf behördliche Maßnahmen
Ungleichheiten bei seiner Anwendung ergeben, da die Arbeitsbedingungen in den
Mitgliedstaaten teilweise durch Gesetze oder Verordnungen und teilweise durch
von Privatpersonen geschlossene oder vorgenommene Verträge oder sonstige Akte
geregelt sind.
11. Nichts spricht dagegen, daß sich Privatpersonen zur Rechtfertigung
ihnen vorgeworfener Beschränkungen der Freizuegigkeit der Arbeitnehmer auf Rechtfertigungsgründe in bezug auf die öffentliche Ordnung,
Sicherheit und Gesundheit berufen, wie sie nach Artikel 48 des Vertrages
geltend gemacht werden können. Die Tragweite und der Inhalt dieser
Rechtfertigungsgründe sind nämlich nicht vom öffentlichen oder
privaten Charakter einer beschränkenden Regelung abhängig, zu deren Stützung sie in Anspruch
genommen werden.
12. Artikel 48 des Vertrages gilt
für von Sportverbänden aufgestellte Regeln, die die Voraussetzungen für die Ausübung einer
unselbständigen Tätigkeit durch die Berufssportler festlegen.
13. Der Fall eines
Berufsfußballspielers, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist und sich
dadurch, daß er einen Arbeitsvertrag mit einem Verein eines anderen
Mitgliedstaats geschlossen hat, um im Gebiet dieses Staates eine unselbständige
Beschäftigung auszuüben, im Sinne von Artikel 48 Absatz 3 Buchstabe a des
Vertrages um eine tatsächlich angebotene Stelle beworben hat, kann nicht als
ein rein interner und daher nicht unter das Gemeinschaftsrecht fallender
Sachverhalt bezeichnet werden.
14. Artikel 48 des Vertrages steht
der Anwendung von durch Sportverbände aufgestellten Regeln entgegen, nach denen ein Berufsfußballspieler, der
Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, bei Ablauf des Vertrages, der ihn
an einen Verein bindet, nur dann von einem Verein eines anderen Mitgliedstaats
beschäftigt werden kann, wenn dieser dem bisherigen Verein eine Transfer-,
Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung gezahlt hat.
Diese Regeln sind nämlich selbst dann, wenn sie sich nicht
von den für die Transfers innerhalb desselben Mitgliedstaats geltenden
Regeln unterscheiden, geeignet, die Freizuegigkeit der Spieler, die ihre Tätigkeit in einem
anderen Mitgliedstaat ausüben wollen, dadurch einzuschränken, daß sie die
Spieler sogar nach Ablauf der Arbeitsverträge mit den Vereinen,
denen sie angehören, daran hindern oder davon abhalten, diese Vereine zu
verlassen.
Darüber hinaus können sie kein
geeignetes Mittel zur Erreichung berechtigter Zwecke wie dem Bestreben darstellen, das finanzielle und sportliche
Gleichgewicht zwischen den Vereinen aufrechtzuerhalten und die Suche nach
Talenten sowie die Ausbildung der jungen Spieler zu unterstützen, denn
° zum einen verhindern diese
Regeln weder, daß sich die reichsten Vereine die
Dienste der besten Spieler sichern, noch, daß die verfügbaren finanziellen
Mittel ein entscheidender Faktor beim sportlichen Wettkampf sind und daß das
Gleichgewicht zwischen den Vereinen dadurch erheblich gestört wird,
° zum anderen sind die nach diesen
Regeln vorgesehenen Entschädigungen durch ihren
Eventualitäts- und Zufallscharakter gekennzeichnet
und auf jeden Fall unabhängig von den tatsächlichen Ausbildungskosten, die den Vereinen entstehen,
° und schließlich können dieselben
Zwecke ebenso wirksam mit anderen Mitteln erreicht werden, die die
Freizuegigkeit der Arbeitnehmer nicht
beeinträchtigen.
15. Artikel 48 des Vertrages steht
der Anwendung von durch Sportverbände aufgestellten Regeln entgegen, nach denen die Fußballvereine bei den Spielen
der von diesen Verbänden veranstalteten Wettkämpfe nur eine begrenzte Anzahl von Berufsspielern, die
Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, aufstellen können.
Diese Regeln verstossen nämlich gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund der
Staatsangehörigkeit in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige
Arbeitsbedingungen, wobei es
insoweit keine Rolle spielt, daß sie nicht die
Beschäftigung der genannten Spieler betreffen, die nicht eingeschränkt wird,
sondern die Möglichkeit für ihre Vereine, sie bei einem offiziellen Spiel
aufzustellen, denn da die Teilnahme an diesen Begegnungen das wesentliche Ziel der Tätigkeit eines
Berufsspielers darstellt, liegt es auf der Hand, daß eine Regel, die diese Teilnahme beschränkt, auch die
Beschäftigungsmöglichkeiten des betroffenen Spielers einschränkt.
Darüber hinaus können diese
Regeln, die sich nicht auf spezielle Begegnungen zwischen Mannschaften beziehen, die ihre
Länder repräsentieren, sondern für alle offiziellen Begegnungen zwischen Vereinen gelten, nicht mit
nichtwirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt werden, die nur den Sport als
solchen betreffen, wie der Erhaltung der traditionellen Bindung jedes Vereins
an sein Land, da die Bindung eines Vereins an den Mitgliedstaat, in dem er
ansässig ist, nicht als mit der sportlichen Tätigkeit notwendig verbunden
angesehen werden kann, der Schaffung einer ausreichenden Reserve an
einheimischen Spielern, die die Nationalmannschaften in die Lage versetzt, in
allen Mannschaftspositionen Spitzenspieler aufzustellen, da die
Nationalmannschaften zwar aus Spielern bestehen müssen, die die
Staatsangehörigkeit des betreffenden Landes besitzen, aber diese Spieler nicht
unbedingt für Vereine dieses Landes spielberechtigt sein müssen, oder der
Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts zwischen den Vereinen, da die
Möglichkeit für die reichen Vereine, die besten einheimischen Spieler
einzustellen, die das sportliche Gleichgewicht zwischen den Vereinen ebenso
beeinträchtigt, durch keine Regel eingeschränkt wird.
16. Die
Kommission ist, abgesehen von den Fällen, in denen
ihr solche Befugnisse ausdrücklich eingeräumt werden, nicht berechtigt,
Garantien hinsichtlich der Vereinbarkeit eines
bestimmten Verhaltens mit dem Vertrag zu geben, und sie hat keinesfalls die
Befugnis, gegen den Vertrag verstossende Verhaltensweisen zu
genehmigen.
17. Die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die
der Gerichtshof in Ausübung der ihm durch Artikel 177 des Vertrages verliehenen
Befugnis vornimmt, erläutert und verdeutlicht erforderlichenfalls die Bedeutung
und Tragweite dieser Vorschrift, so wie sie seit ihrem Inkrafttreten zu
verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, daß der Richter
die in dieser Weise ausgelegte Vorschrift auch auf Rechtsverhältnisse, die vor
Erlaß des auf das Auslegungsersuchen ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden kann und
muß, wenn im übrigen die Voraussetzungen dafür, daß ein Rechtsstreit über die
Anwendung dieser Vorschrift vor die zuständigen Gerichte gebracht wird,
erfuellt sind.
Nur ausnahmsweise kann sich der
Gerichtshof in Anwendung eines zur Gemeinschaftsrechtsordnung gehörenden
allgemeinen Grundsatzes der Rechtssicherheit veranlasst sehen, die Möglichkeit
für alle Betroffenen einzuschränken, sich auf eine von ihm ausgelegte Bestimmung zu berufen, um gutgläubig begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen.
Eine solche Einschränkung kann jedoch nur vom Gerichtshof in dem Urteil selbst
vorgenommen werden, in dem über die erbetene Auslegung entschieden wird.
Da die Besonderheiten der von den
Sportverbänden aufgestellten Regeln für die Transfers von Spielern zwischen
Vereinen verschiedener Mitgliedstaaten sowie der Umstand, daß dieselben oder
entsprechende Regeln sowohl für die Transfers zwischen Vereinen, die
demselben nationalen Verband angehören, als auch für die Transfers zwischen
Vereinen
galten, die im selben Mitgliedstaat unterschiedlichen
nationalen Verbänden angehören, einen Zustand der Unsicherheit hinsichtlich der
Vereinbarkeit der genannten Regeln mit dem Gemeinschaftsrecht herbeiführen
konnten, verbieten es zwingende Erwägungen der
Rechtssicherheit, Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen, deren Wirkungen sich
in der Vergangenheit erschöpft haben.
Aus diesem Grund hat der Gerichtshof
zu entscheiden, daß die unmittelbare Wirkung von Artikel 48 des Vertrages nicht
zur Stützung von Ansprüchen im Zusammenhang mit einer Transfer-, Ausbildungs-
oder Förderungsentschädigung herangezogen werden kann, die zum Zeitpunkt des
Urteils, durch das ihre Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht festgestellt wird, bereits gezahlt worden ist oder die
zur Erfuellung einer vor diesem Zeitpunkt entstandenen Verpflichtung noch
geschuldet wird; dies gilt nicht für Rechtsuchende, die vor diesem Zeitpunkt
nach dem anwendbaren nationalen Recht Klage erhoben oder einen gleichwertigen
Rechtsbehelf eingelegt haben.