Besteuerung fiktiven Wertzuwachses auf wesentliche Beteiligungen
bei Verlegung des steuerlichen Wohnsitzes in einen anderen
Mitgliedstaat
Leitsatz
1. Ein Gemeinschaftsangehöriger, der seit der Verlegung seines
Wohnsitzes in einem Mitgliedstaat wohnt und sämtliche Anteile an
Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hält, kann sich auf
Artikel 43 EG berufen.
2. Artikel 43 EG ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat
verwehrt, ein System einzuführen, nach dem der latente Wertzuwachs von
Gesellschaftsanteilen besteuert wird, wenn ein Steuerpflichtiger aus diesem
Mitgliedstaat wegzieht, das die Stundung dieser Steuer von der Leistung von
Sicherheiten abhängig macht und das Wertminderungen, die
möglicherweise nach der Verlegung des Wohnsitzes des Betroffenen
eingetreten und nicht bereits im Aufnahmemitgliedstaat berücksichtigt
worden sind, nicht vollständig berücksichtigt.
3. Eine Beeinträchtigung aufgrund der Leistung einer unter
Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht verlangten Sicherheit kann durch die
bloße Freigabe dieser Sicherheit nicht rückwirkend beseitigt werden.
Die Form des Aktes, auf dessen Grundlage die Sicherheit freigegeben worden ist,
ist insoweit ohne Bedeutung. Sieht der Mitgliedstaat die Zahlung von
Verzugszinsen bei Freigabe einer unter Verletzung nationalen Rechts verlangten
Sicherheit vor, werden diese Zinsen auch im Fall eines Verstoßes gegen
das Gemeinschaftsrecht geschuldet. Das vorlegende Gericht hat zudem
entsprechend den vom Gerichtshof entwickelten Leitlinien und unter Beachtung
der Grundsätze der Gleichwertigkeit und der Effektivität zu
prüfen, ob der betreffende Mitgliedstaat für den Schaden haftet, der
durch die Verpflichtung zur Leistung einer solchen Sicherheit entstanden
ist.