Leitsatz
1. Ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der eine
selbständige Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat, in dem
er auch wohnt, ausübt, kann sich gegenüber seinem Herkunftsstaat, in
dessen Gebiet er eine andere selbständige Erwerbstätigkeit
ausübt, auf die Bestimmungen des Artikels 52 des Vertrages berufen, wenn
er sich aufgrund der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in
einem anderen Mitgliedstaat als seinem Herkunftsstaat diesem gegenüber in
einer Lage befindet, die mit derjenigen anderer Personen vergleichbar ist, die
sich gegenüber dem Aufnahmestaat auf die durch den Vertrag garantierten
Rechte und Freiheiten berufen können.
2. Artikel 52 des Vertrages ist dahin auszulegen, daß er es
einem Mitgliedstaat verwehrt, auf einen Angehörigen eines Mitgliedstaats,
der eine selbständige Erwerbstätigkeit im Gebiet dieses Staates und
daneben eine andere selbständige Erwerbstätigkeit in einem anderen
Mitgliedstaat, in dem er auch wohnt, ausübt, einen Einkommensteuersatz
anzuwenden, der höher ist als derjenige, der für
Gebietsansässige gilt, die die gleiche Tätigkeit ausüben, wenn
kein objektiver Unterschied in der Situation dieser Steuerpflichtigen und
derjenigen der gebietsansässigen Steuerpflichtigen sowie der diesen
gleichgestellten Personen besteht, der geeignet wäre, eine solche
Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn
die Tatsache, daß jemand Gebietsfremder ist, ihn nicht der Anwendung der
Progressionsbestimmung entgehen lässt und wenn sich die beiden Gruppen von
Steuerpflichtigen im Hinblick auf diese Bestimmung in einer gleichartigen
Situation befinden.
3. Einem Mitgliedstaat ist es auch verwehrt, durch einen solchen
erhöhten Einkommensteuersatz der Tatsache Rechnung zu tragen, daß
der Steuerpflichtige aufgrund der für die Bestimmung der anzuwendenden
sozialrechtlichen Vorschriften geltenden Vorschriften der Verordnung Nr.
1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und
deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, nicht der
Beitragspflicht in seinem nationalen Sozialversicherungssystem unterliegt. Der
sich ebenfalls aus dieser Verordnung ergebende Umstand, daß der
Steuerpflichtige dem System der sozialen Sicherheit seines Wohnstaats
angeschlossen ist, ist insoweit unerheblich.