Regelungen in §§ 113a, 113b TKG idF vom 2007-12-21 sowie § 100g StPO, soweit dieser die Erhebung von nach § 113a TKG gespeicherten Daten zulässt, mit Art 10 Abs 1 GG unvereinbar - eine die Diensteanbieter treffende Speicherungspflicht in dem durch das TKG vorgesehenen Umfang nicht von vornherein schlechthin verfassungswidrig, die konkrete Ausgestaltung der vorsorglichen Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten muss dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen - Gewährleistung einer hinreichenden Datensicherheit sowie Begrenzung der Verwendungszwecke der Daten - zur Beachtung der verfassungsrechtlichen Transparenz und Rechtsschutzanforderungen
Leitsatz
1. Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Diensteanbieter,
wie sie die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl L 105 vom ,
S. 54; im Folgenden: Richtlinie 2006/24/EG) vorsieht, ist mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar; auf einen etwaigen
Vorrang dieser Richtlinie kommt es daher nicht an.
2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die gesetzliche Ausgestaltung einer solchen Datenspeicherung dem besonderen
Gewicht des mit der Speicherung verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen Rechnung trägt. Erforderlich sind hinreichend
anspruchsvolle und normenklare Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes.
3. Die Gewährleistung der Datensicherheit sowie die normenklare Begrenzung der Zwecke der möglichen Datenverwendung obliegen
als untrennbare Bestandteile der Anordnung der Speicherungsverpflichtung dem Bundesgesetzgeber gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 7
GG. Demgegenüber richtet sich die Zuständigkeit für die Schaffung der Abrufregelungen selbst sowie für die Ausgestaltung der
Transparenz- und Rechtsschutzbestimmungen nach den jeweiligen Sachkompetenzen.
4. Hinsichtlich der Datensicherheit bedarf es Regelungen, die einen besonders hohen Sicherheitsstandard normenklar und verbindlich
vorgeben. Es ist jedenfalls dem Grunde nach gesetzlich sicherzustellen, dass sich dieser an dem Entwicklungsstand der Fachdiskussion
orientiert, neue Erkenntnisse und Einsichten fortlaufend aufnimmt und nicht unter dem Vorbehalt einer freien Abwägung mit
allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkten steht.
5. Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten sind nur verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des Rechtsgüterschutzes
dienen. Im Bereich der Strafverfolgung setzt dies einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer schweren Straftat
voraus. Für die Gefahrenabwehr und die Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste dürfen sie nur bei Vorliegen tatsächlicher
Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des
Bundes oder eines Landes oder für eine gemeine Gefahr zugelassen werden.
6. Eine nur mittelbare Nutzung der Daten zur Erteilung von Auskünften durch die Telekommunikationsdiensteanbieter über die
Inhaber von Internetprotokolladressen ist auch unabhängig von begrenzenden Straftaten- oder Rechtsgüterkatalogen für die Strafverfolgung,
Gefahrenabwehr und die Wahrnehmung nachrichtendienstlicher Aufgaben zulässig. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten
können solche Auskünfte nur in gesetzlich ausdrücklich benannten Fällen von besonderem Gewicht erlaubt werden.