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BFH Urteil v. - VI R 27/08

Gesetze: AO § 173 Abs. 1 Nr. 2

Änderung von Steuerbescheiden wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel; Zeitpunkt, in dem das Finanzamt die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen hat, ist für die Kausalitätsprüfung maßgebend

Leitsatz

Eine Änderung von Steuerbescheiden nach § 173 Abs. 1 AO wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel scheidet aus, wenn deren Unkenntnis für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist, weil das Finanzamt auch bei rechtzeitiger Kenntnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre.
Maßgebend für die Frage nach der Rechtserheblichkeit einer neuen Tatsache oder eines neuen Beweismittels ist grundsätzlich der Zeitpunkt, in dem die Willensbildung des Finanzamts über die Steuerfestsetzung abgeschlossen wird, d.h. im Normalfall der Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens (bei EDV-mäßiger Abwicklung der Steuerfestsetzung) oder der Verfügung zum Steuerbescheid.
Wie das Finanzamt bei Kenntnis bestimmter Tatsachen und Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist im Einzelfall aufgrund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung des BFH ausgelegt wurde, und den die Finanzämter bindenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt des ursprünglichen Bescheiderlasses durch das Finanzamt gegolten haben.
Liegen unmittelbar zu der umstrittenen Rechtslage weder eine Rechtsprechung des BFH noch bindende Verwaltungsanweisungen vor, so ist aufgrund anderer Umstände abzuschätzen, wie das Finanzamt in Kenntnis des vollständigen Sachverhalts entschieden hätte. Hierzu rechnet beispielsweise das Vorgehen der Finanzbehörden in Parallelverfahren. Darüber hinaus sind auch interne Schreiben und Mitteilungen, etwa eines Landesfinanzministeriums an den Bundesminister der Finanzen zu berücksichtigen.
Subjektive Fehler der Finanzämter und damit des einzelnen Bearbeiters, wie sie sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht denkbar sein mögen, sind für die Beurteilung der Rechtserheblichkeit von neuen Tatsachen oder Beweismitteln unbeachtlich.

Fundstelle(n):
AO-StB 2010 S. 337 Nr. 11
BFH/NV 2010 S. 1607 Nr. 9
GAAAD-47463

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