Verzicht auf Aussetzungszinsen; kein Erlass von Aussetzungszinsen wegen überlanger Verfahrensdauer
Leitsatz
Bei der im Rahmen der Anwendung der §§ 237 Abs. 4, 234 Abs. 2 AO gebotenen Abwägung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den Ausgang des außergerichtlichen bzw. gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens typischerweise als das beste verfügbare Mittel zur Erkenntnis der materiellen Steuerrechtslage ansieht. Unter dem Gesichtspunkt eines gerechten Ausgleichs zwischen den Geldnutzungsinteressen des Steuergläubigers und denen des Steuerpflichtigen ist es für den Regelfall angemessen, die Entscheidung über die Festsetzung von Aussetzungszinsen als automatische Folge des Verfahrensausgangs über die Steuerfestsetzung auszugestalten. Nur wenn die im Einzelfall maßgebliche materielle Steuerrechtslage ausnahmsweise so beschaffen ist, dass der Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens nicht mehr als Abbild der materiellen Rechtslage aufgefasst werden kann, ist der vom Gesetz gedeckte Regelfall nicht mehr gegeben und eine Einzelfallkorrektur durch Zinsverzicht geboten. Ein Verzicht auf Aussetzungszinsen gemäß § 237 AO ist nicht schon deshalb geboten, weil die Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen für eine gewisse Zeit, nämlich bis zur Nachholung einer erforderlichen Verfahrenshandlung, rechtswidrig war. Ein Steuerpflichtiger der von der ihm gesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht, eine Aussetzung der Vollziehung zu beantragen, muss damit rechnen, dass die Finanzbehörde ihrerseits alle nach der geltenden Rechtsordnung zulässigen Möglichkeiten ausschöpft, einen ursprünglich fehlerhaften Bescheid im Rechtsmittelverfahren zu heilen. Die Herbeiführung dieser Heilungswirkung gehört zu den den jeweils Betroffenen als vorhersehbar anzulastenden Risiken, weshalb ein etwaiges Vertrauen darauf, die Finanzbehörde werde von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, grundsätzlich nicht schutzwürdig ist.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n): BFH/NV 2010 S. 1602 Nr. 9 StBW 2010 S. 740 Nr. 16 StBW 2010 S. 881 Nr. 19 HAAAD-47856