Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO; Ermittlungen der Steuerfahndung beschränken sich nicht auf die Aufklärung des verdächtigen Sachverhalts; Angabe einer unzutreffenden Einkunftsart in einer Steuererklärung erfüllt nicht den Tatbestand einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit
Leitsatz
Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Steuerfahndung vor allem die Aufgabe, Steuerstraftaten und -ordnungswidrigkeiten zu erforschen und die Besteuerungsgrundlagen in diesen Fällen zu ermitteln. Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in diesen Fällen gehört unmittelbar zur Erforschung der Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten und ist deren nicht abtrennbarer Teil; sie ist dem Bereich des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahrens zuzurechnen. Nach Abs. 2 der Vorschrift sind die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzverwaltung daneben auch zuständig für steuerliche Ermittlungen einschließlich der Außenprüfung auf Ersuchen der zuständigen Finanzbehörde. In dieser Funktion nimmt die Steuerfahndung Aufgaben wahr, die dem Besteuerungsverfahren zuzurechnen sind. Bei Ermittlungen der Steuerfahndung kann der Eintritt der Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nur an rechtmäßiges behördliches Handeln geknüpft werden. Das setzt insbesondere voraus, dass die einzelnen Ermittlungen und Ermittlungshandlung von der Aufgaben- und Befugniszuweisung in § 208 AO gedeckt sind. Richtet sich der strafrechtliche Anfangsverdacht nur auf einen bestimmten Sachverhalt, so ist die Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in ihren Ermittlungen nicht darauf beschränkt, den verdächtigen Sachverhalt aufzuklären. Sie ist vielmehr berechtigt und ggf. auch verpflichtet, alle für die Feststellung der in Betracht kommenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit erforderlichen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln. Setzt die in Betracht kommende Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit eine Verkürzung der Steuer voraus, so erstreckt sich die Ermittlungsbefugnis der Steuerfahndung auf alle Besteuerungsgrundlagen, deren Kenntnis erforderlich ist, um die Höhe der Steuerverkürzung bestimmen zu können. Lautet der Vorwurf auf Hinterziehung der Einkommensteuer eines bestimmten Jahres, ist die Steuerfahndung grundsätzlich befugt, sämtliche für die Festsetzung der Einkommensteuer dieses Jahres erforderlichen Besteuerungsgrundlagen aufzuklären, auch wenn es sich dabei um Sachverhalte handelt, auf die sich ein strafrechtlicher Anfangsverdacht nicht richtet. Hierzu gehört auch die Qualifizierung von Einkünften. Die Angabe einer unzutreffenden Einkunftsart in einer Steuererklärung erfüllt im Regelfall nicht die Tathandlung einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n): AO-StB 2011 S. 274 Nr. 9 BB 2010 S. 2615 Nr. 43 BFH/NV 2010 S. 1777 Nr. 10 HFR 2010 S. 1257 Nr. 12 BAAAD-49277