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BFH Urteil v. - V R 13/09

Gesetze: AO § 71, AO § 370 Abs. 1 Nr. 1, AO § 35, UStG § 1 Abs. 1, UStG § 3 Abs. 1

Haftung des Lieferers in einem Umsatzsteuerkarussell gemäß § 71 AO; Nichtabgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen als Steuerhinterziehung

Leitsatz

1. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Lieferungen von Gegenständen steuerbare Umsätze, wenn sie die objektiven Kriterien erfüllen, auf denen die Begriffe beruhen.
Soweit der EuGH davon ausgeht, dass die objektiven Kriterien einer Lieferung im Fall einer Steuerhinterziehung nicht vorliegen, handelt es sich um einen eigenständigen Vorsteuerversagungsgrund. Für die Besteuerung von Ausgangsumsätzen ist dies aber ohne Bedeutung. Die vom Steuerhinterzieher ausgeführte Lieferung ist bei diesem steuerbar und steuerpflichtig.
2. Im Bereich des Sonderdelikts aus § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann in Bezug auf die Hinterziehung von Umsatzsteuern Täter nur sein, wer die rechtliche Erklärungspflicht für die Voranmeldungen und die Jahreserklärungen zu erfüllen hat. Zu den Erklärungsverpflichteten gehört unter anderem auch der Verfügungsberechtigte i.S. des § 35 AO.
Verfügungsberechtigter i.S. des § 35 AO ist jeder, der nach dem Gesamtbild der Verhältnisse rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügen kann und als solcher nach außen auftritt. Eine rechtliche Verfügungsmacht besteht danach, wenn der Verfügungsberechtigte die Pflichten des gesetzlichen Vertreters - mittelbar - durch die Bestellung der entsprechenden Organe erfüllen lassen kann. Der "Auftritt nach außen" liegt vor, wenn der faktische Geschäftsführer sich gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit als solcher geriert, das Auftreten gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit aber weisungsabhängigen Personen überlässt.
Eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen nicht abgegebener Umsatzsteuer-Voranmeldungen ist vollendet, wenn eine Steueranmeldung zum gesetzlich vorgegebenen Termin ausbleibt. Die nicht angemeldeten nominalen Steuerbeträge sind "auf Dauer" verkürzt, wenn der Täter von vornherein weder Voranmeldungen noch die Jahreserklärung abgeben will. Hinterziehungstaten wegen der Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und von Umsatzsteuerjahreserklärungen stehen auch dann im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander, wenn sie dasselbe Kalenderjahr betreffen.
3. Die Haftungssumme gemäß § 71 AO bestimmt sich grundsätzlich nach den verkürzten nominalen Steuerbeträgen. Beschränkt wird die Haftung des Steuerhinterziehers gemäß § 71 AO jedoch auf den Vermögensschaden des Fiskus, der durch die Tat verursacht und vom Vorsatz des Täters umfasst ist (hier: Haftung eines faktischen Geschäftsführers und Verfügungsberechtigten einer GmbH gemäß § 35 AO).
Die Haftung gemäß § 71 AO entfällt, wenn derselbe Vermögensschaden für den Fiskus auch bei steuerehrlichem Verhalten eingetreten wäre. Die Haftung ist im Fall der Nichtabgabe von Umsatzsteuer- Voranmeldungen und Nichtentrichtung fälliger Steuerbeträge auf den Betrag begrenzt, der bei rechtzeitiger Abgabe und Zahlung unter gleichmäßiger Befriedigung aller Gläubiger hätte getilgt werden können.

Fundstelle(n):
BB 2011 S. 296 Nr. 5
BFH/NV 2011 S. 81 Nr. 1
HFR 2011 S. 197 Nr. 2
PAAAD-56600

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