Kapitalertragsteuer bei beschränkt steuerpflichtiger
Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der französischen „société par
actions simplifiée” (S.A.S.): Unionsrechts- und Verfassungsmäßigkeit -
Freistellungs- und Erstattungsverfahren - Zuständigkeit
Leitsatz
1. Eine französische
Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer „société par actions
simplifiée” (S.A.S.) war bis zum nicht als
„Gesellschaft eines Mitgliedstaats” i.S. von Art. 2
Buchst. a i.V.m. Buchst. f des Anhangs der Richtlinie 90/435/EWG
anzusehen. Dividendenzahlungen an eine solche Gesellschaft durch ihre deutsche
Tochtergesellschaft erfüllten damit weder unmittelbar noch analog die
Voraussetzungen des
§ 43b
Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 i.V.m. Anlage 2
Nr. 1 zu
§ 43b EStG 2002
(Anschluss an
, Slg. 2009, I-9225).
2. Die Körperschaftsteuer für
Kapitalerträge i.S. von
§ 20 Abs. 1
Nr. 1 EStG 2002, die nach
§ 43
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 i.V.m.
§ 31
Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 dem Steuerabzug
unterliegen, ist bei einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft als
Bezieherin der Einkünfte nach
§ 32 Abs. 1
Nr. 2 KStG 2002 durch den Steuerabzug abgegolten.
Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten
ausgeschüttet werden, werden infolgedessen wirtschaftlich einer höheren
Besteuerung unterworfen als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in
Deutschland ausgeschüttet werden. Darin liegt ein Verstoß gegen die
Kapitalverkehrsfreiheit des
Art. 56 Abs. 1
EG (Anschluss an
„Kommission ./. Deutschland”, DStR 2011, 2038, sowie an
Senatsurteil vom I R 53/07,
BFHE 224,
556).
3. Die nachträgliche Erstattung
einbehaltener und abgeführter Kapitalertragsteuer kann, wenn die
Voraussetzungen des
§ 50d Abs. 1 EStG
2002 nicht erfüllt sind, die Einbehaltung und Abführung
aber gegen unionsrechtliche Grundfreiheiten verstößt, auf eine analoge
Anwendung von
§ 50d Abs. 1 EStG
2002 gestützt werden. Zuständig für die Entscheidung über
ein solches Erstattungsbegehren ist das FA, nicht das BZSt (Bestätigung und
Fortführung der ständigen Senatsrechtsprechung). Eine vorherige Freistellung
von der Pflicht zur Einbehaltung und Abführung von Kapitalertragsteuer nach
§ 50d Abs. 2 EStG
2002 ist unter diesen Umständen hingegen ausgeschlossen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n): BB 2012 S. 1205 Nr. 19 BB 2012 S. 993 Nr. 16 BB 2013 S. 2013 Nr. 34 BFH/NV 2012 S. 871 Nr. 5 BFH/PR 2012 S. 187 Nr. 6 DB 2012 S. 838 Nr. 15 DStR 2012 S. 742 Nr. 15 DStRE 2012 S. 586 Nr. 9 DStZ 2012 S. 347 Nr. 10 EStB 2012 S. 166 Nr. 5 FR 2012 S. 524 Nr. 11 GStB 2012 S. 35 Nr. 9 GmbH-StB 2012 S. 171 Nr. 6 GmbHR 2012 S. 593 Nr. 10 HFR 2012 S. 616 Nr. 6 IStR 2012 S. 340 Nr. 9 IStR 2012 S. 8 Nr. 14 KÖSDI 2012 S. 17883 Nr. 5 NWB-Eilnachricht Nr. 16/2012 S. 1288 RIW 2012 S. 416 Nr. 6 StB 2012 S. 138 Nr. 5 StBW 2012 S. 339 Nr. 8 StBW 2012 S. 401 Nr. 9 StuB-Bilanzreport Nr. 9/2012 S. 366 Ubg 2012 S. 346 Nr. 5 PAAAE-06584