Unangemessene Dauer eines finanzgerichtlichen Klageverfahrens
Leitsatz
1. Die Dauer eines Gerichtsverfahrens ist nur dann „unangemessen” i.S des § 198 GVG, wenn eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen feststellbar ist.
2. Die gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG im Vordergrund stehende Einzelfallbetrachtung schließt es aus, konkrete Fristen für die Gesamtdauer eines Verfahrens zu bezeichnen, bei deren Überschreitung die Verfahrensdauer als unangemessen anzusehen ist. Allerdings spricht bei einem finanzgerichtlichen Klageverfahren, das im Vergleich zu dem bei derartigen Verfahren typischen Ablauf keine wesentlichen Besonderheiten aufweist, eine Vermutung dafür, dass die Dauer des Verfahrens angemessen ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage mit Maßnahmen beginnt, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen, und die damit begonnene Phase der gerichtlichen Aktivität nicht durch nennenswerte Zeiträume unterbrochen wird, in denen das Gericht das Verfahren unbearbeitet lässt.
3. Die genannte Angemessenheitsvermutung steht stets unter dem Vorbehalt der Betrachtung der besonderen Umstände des Einzelfalls. Sie gilt insbesondere nicht, wenn ein Verfahrensbeteiligter das Gericht rechtzeitig und in nachvollziehbarer Weise auf Gründe hinweist, die für eine besondere Eilbedürftigkeit des Verfahrens sprechen. Unabhängig davon verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen.
4. In einem Verfahren, das im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÜberlVfRSchG () bereits verzögert war, gilt eine Verzögerungsrüge als unverzüglich nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erhoben und wahrt damit gemäß Art. 23 Satz 2 und 3 ÜberlVfRSchG Entschädigungsansprüche auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes, wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes beim Ausgangsgericht eingeht.
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Fundstelle(n): BStBl 2014 II Seite 179 AO-StB 2014 S. 38 Nr. 2 BB 2013 S. 3093 Nr. 51 BFH/NV 2014 S. 259 Nr. 2 BFH/PR 2014 S. 106 Nr. 3 BStBl II 2014 S. 179 Nr. 4 DB 2013 S. 15 Nr. 50 DB 2013 S. 2906 Nr. 51 DB 2013 S. 8 Nr. 50 DStR 2013 S. 11 Nr. 50 DStRE 2014 S. 299 Nr. 5 HFR 2014 S. 144 Nr. 2 KÖSDI 2014 S. 18675 Nr. 1 NJW 2014 S. 256 Nr. 4 NWB-Eilnachricht Nr. 51/2013 S. 4022 StB 2014 S. 8 Nr. 1 StBW 2014 S. 22 Nr. 1 StBW 2014 S. 7 Nr. 1 Ubg 2014 S. 208 Nr. 3 ZIP 2014 S. 196 Nr. 4 wistra 2014 S. 4 Nr. 1 PAAAE-50849