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BFH Urteil v. - X K 11/13

Gesetze: GVG § 198, AO § 147 Abs. 6, GG Art. 19 Abs. 3, GG Art. 2 Abs. 1, GG Art. 20 Abs. 3, FGO § 155 Satz 2

Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer

Leitsatz

1. Für ein finanzgerichtliches Klageverfahren, das im Vergleich zu dem typischen in dieser Gerichtsbarkeit zu bearbeitenden Verfahren keine wesentlichen Besonderheiten aufweist, kann die Vermutung aufgestellt werden, dass die Dauer des Verfahrens angemessen ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage mit Maßnahmen beginnt, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen, und die damit begonnene ("dritte") Phase des Verfahrensablaufs nicht durch nennenswerte Zeiträume unterbrochen wird, in denen das Gericht die Akte unbearbeitet lässt.
2. Diese Vermutung gilt jedoch nicht, wenn Umstände erkennbar sind, aus denen eine besondere Eilbedürftigkeit des Verfahrens folgen könnte. In diesen Fällen ist der gesamte Verfahrensablauf mit seinen entsprechenden Phasen daraufhin zu überprüfen, ob und inwieweit eine unangemessene Verzögerung eingetreten ist.
3. Bei der Prüfung der angemessenen Dauer des konkreten Rechtsstreits ist zu berücksichtigen, dass dem Richter zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen ist. Dementsprechend wird seine Verfahrensführung im Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist.
4. Beschränkt sich die Verfahrensförderung durch das Finanzgericht mehr als ein Jahr lang darauf, der jeweils anderen Partei Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, kann dies eine noch vertretbare Verfahrensgestaltung darstellen.
5. Für die Beurteilung der richterlichen Handlungen ist entscheidend, wie das Gericht die Sach- und Rechtslage aus seiner Ex-ante-Sicht einschätzen durfte, es kommt nicht darauf an, wie sich der Verfahrenslauf im Nachhinein bei einer Ex-post-Betrachtung darstellt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2014 S. 1748 Nr. 11
HFR 2014 S. 1005 Nr. 11
ZAAAE-72503

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