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BGH Beschluss v. - XI ZB 12/12

Gesetze: § 9 KapMuG vom , § 15 KapMuG vom , § 313 Abs 2 ZPO, § 547 Nr 6 ZPO, § 575 Abs 3 Nr 1 ZPO, § 576 Abs 3 ZPO, § 45 BörsG vom , §§ 45ff BörsG vom , § 47 BörsG vom , § 13 VerkProspGebV vom , § 204 BGB

Kapitalanleger-Musterverfahren: Musterentscheid zur Prospekthaftung für den 3. Börsengang der Deutschen Telekom AG; erforderlicher Inhalt eines Musterentscheids; Anforderungen an einen Rechtsbeschwerdeantrag; Anwendung der gesetzlichen Prospekthaftung; Ausweisung des Werts des Immobilienvermögens im Wertpapierverkaufsprospekt; Hinweispflicht auf eine "Umhängung"; Umfang der Verjährungshemmung bei Erhebung einer Schadensersatzklage; erforderliche Individualisierung des prozessualen Anspruchs in einem Mahn- oder Güteverfahren

Leitsatz

1. Ein Musterentscheid im Kapitalanleger-Musterverfahren muss den maßgeblichen Sach- und Streitstand, über den entschieden wird, wiedergeben und die gestellten Musteranträge erkennen lassen.

2. Ein ordnungsgemäßer Rechtsbeschwerdeantrag im Kapitalanleger-Musterverfahren verlangt die genaue Benennung der angegriffenen Teile des Musterentscheids, die aufgehoben oder geändert werden sollen.

3. Auf einen im Jahr 2000 freiwillig erstellten Wertpapierverkaufsprospekt, der der Umplatzierung bereits an der Börse gehandelter Wertpapiere dient, ist nicht die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne, sondern die damals geltende gesetzliche Prospekthaftung gemäß § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 45 ff. BörsG entsprechend anzuwenden.

4. In einem Wertpapierverkaufsprospekt ist der Wert des Immobilienvermögens der Emittentin als Bilanzposition, die für die Beurteilung der Vermögenslage des Unternehmens und damit für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung ist, zutreffend auszuweisen. Das gilt insbesondere dann, wenn das Eigenkapital zu einem beträchtlichen Teil aus Immobilien besteht. Die Prospektpublizitätspflicht erstreckt sich auf den gewählten Bewertungsansatz und das angewandte Bewertungsverfahren, sofern deren Kenntnis für die sachgerechte Einschätzung des Grundstückswerts erforderlich ist. Die Grundstücksbewertung ist nicht fehlerhaft, wenn sich das Bewertungsergebnis im Rahmen zulässiger Toleranzen bewegt. Wo im Einzelfall die Toleranzgrenze zu ziehen ist, ist Sache der tatrichterlichen Beurteilung.

5. Die Übertragung eines erheblichen Aktienpakets von der Emittentin auf eine Konzerntochter - hier eine Holding - im Wege der Sacheinlage (sog. Umhängung) ist im Prospekt exakt zu beschreiben und darf nicht als Verkauf innerhalb des Konzerns deklariert werden. Ferner muss im Prospekt erläutert werden, dass der im Jahr der Umhängung durch die Aufdeckung stiller Reserven erzielte Buchgewinn bei einer später erforderlich werdenden Sonderabschreibung des Beteiligungsbuchwerts an der Konzerntochter zu einem entsprechenden Verlust der Emittentin in künftigen Geschäftsjahren führen kann, der die Dividendenerwartung der neu geworbenen Aktionäre beeinträchtigt.

6. Die auf die Veröffentlichung eines fehlerhaften Prospektes gestützte Schadensersatzklage hemmt die Verjährung nicht nur in Bezug auf Prospektfehler, die in der Klageschrift geltend gemacht worden sind, sondern auch für solche, die erst nach Klageerhebung in den Prozess eingeführt werden, weil es sich bei einzelnen Fehlern des Prospektes nur um Bestandteile eines einheitlichen Geschehensablaufs und damit um denselben prozessualen Streitgegenstand handelt.

7. In einem der Klage vorangegangenen Mahn- oder Güteverfahren wird der erforderlichen Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs durch die Angabe des Zeitpunkts des Erwerbs der Aktien unter Angabe des angeblich fehlerhaften Prospektes genügt. Der Benennung der einzelnen Prospektfehler bedarf es im Mahnbescheids- bzw. Güteantrag nicht.

Fundstelle(n):
AG 2015 S. 351 Nr. 10
DB 2014 S. 14 Nr. 51
DB 2014 S. 7 Nr. 51
DB 2015 S. 186 Nr. 4
DStR 2014 S. 11 Nr. 51
NJW 2015 S. 236 Nr. 4
WM 2015 S. 22 Nr. 1
ZIP 2014 S. 99 Nr. 51
ZIP 2015 S. 25 Nr. 1
GAAAE-81360

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