Anspruch auf Kindergeld für beim Ehemann in Polen lebende Kinder einer im Inland selbständig tätig polnischen Staatsangehörigen; Prüfung eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf vergleichbare Leistungen nach polnischem Recht durch das FG
Leitsatz
1. Der Anspruch auf Kindergeld einer im Inland lebenden, selbständig tätigen polnischen Staatsangehörigen, die als Mitglied der Familie ihres Ehemannes, der in Polen lebt und arbeitet, im Sozialversicherungssystem in Polen (ZUS) angemeldet ist, wird nicht durch Art. 13 ff. der VO (EWG) Nr. 1408/71 ausgeschlossen. 2. Das Finanzgericht (FG) hat eine eigene Entscheidung darüber zu treffen, ob für ein Kind im Ausland dem Kindergeld vergleichbare Leistungen gezahlt werden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären. Hierzu hat es das maßgebende ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen. Der Kindergeldberechtigte braucht weder die einschlägigen Regelungen des ausländischen Rechts im Einzelnen darzulegen noch ist er verpflichtet, im Ausland einen Antrag auf Familienleistungen zu stellen, um eine Entscheidung der dortigen Behörde herbeizuführen. 3. Ein Formular E 411, welches bescheinigt, dass in Polen keine Familienleistungen beantragt wurden und offen lässt, ob ein entsprechender Anspruch besteht, entbindet das FG nicht von seiner Prüfungspflicht. Die Prüfung eines materiell-rechtlichen Anspruchs nach polnischem Recht kann nur unterbleiben, wenn eine dortige Behörde für den Streitzeitraum bereits entschieden hat und dieser Entscheidung Bindungswirkung für die deutschen Behörden und Gerichte zukommt. 4. Eine Untätigkeitssprungklage wird durch die Sonderregelung in § 46 FGO ausgeschlossen. Eine vor Erlass eines ablehnenden Verwaltungsaktes erhobene Sprungklage in der Form der sog. Vornahmeklage ist unheilbar unzulässig.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n): BFH/NV 2015 S. 477 Nr. 4 BAAAE-84603