Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt eines von einem deutschen Arbeitgeber europaweit eingesetzten polnischen Montagearbeiters; Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises
Leitsatz
1. Aus den Art. 13 ff. der VO (EWG) Nr. 1408/71 ergibt sich kein eigenständiger - von den Voraussetzungen der §§ 62 ff. EStG unabhängiger - Anspruch auf Kindergeld. Ein Kindergeldanspruch besteht nur dann, wenn die mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden Anspruchsvoraussetzungen des jeweiligen Mitgliedstaats erfüllt sind. 2. Die richtige Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises ist zwar - als dem sachlichen Recht angehörend - vom Revisionsgericht nachprüfbar. Die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises setzt aber das Vorliegen eines "typischen Geschehensablaufs" voraus. 3. Ein nicht nur vorübergehend im Inland beschäftigter Arbeitnehmer kann zwar - mangels abweichender Anhaltspunkte - typischerweise (zumindest) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wenn er aufgrund der Entfernung zwischen der Arbeitsstätte und seinem Heimatort nicht arbeitstäglich dorthin zurückkehren kann. Es liegt jedoch kein "typischer Geschehensablauf" vor, wenn der Arbeitnehmer nach seinen eigenen Sachvortrag "europaweit" tätig war und es deshalb naheliegend ist, dass sich seine Einsatzorte auch im Ausland befanden. 4. Eine Gehörsverletzung infolge rechtswidriger Vorenthaltung der Prozesskostenhilfe kann zwar - trotz der Regelungen in § 124 Abs. 1, § 128 Abs. 2 FGO - als Verfahrensmangel im Revisionsverfahren geltend gemacht werden. Insbesondere ist es grundsätzlich nicht statthaft, über einen Prozesskostenhilfe-Antrag erst nach Ergehen der Entscheidung in der Hauptsache zu befinden. Eine derartige ggf. unrichtige Sachbehandlung führt aber nur dann zu einer Gehörsverletzung, wenn hierdurch der Rechtsschutz des Klägers im Hauptsacheverfahren beeinträchtigt ist.