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BFH Urteil v. - X R 16/12

Gesetze: AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, BGB § 100, ZPO § 176 Abs. 2, ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 2, ZPO § 180, ZPO § 182 Abs. 1 Satz 2, ZPO § 418

Beweiskraft der Zustellungsurkunde; Änderung nach § 173 Abs. 1 AO; personelle Verflechtung bei einer Betriebsaufspaltung; Wegfall der Betriebsaufspaltung durch Übertragung der Beteiligung unter Nießbrauchsvorbehalt

Leitsatz

1. Die Zustellungsurkunde erbringt gemäß § 418 ZPO i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, sondern insbesondere auch darauf, dass der Postbedienstete unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat.
2. Ein Gegenbeweis kann nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit der Ersatzzustellung beruft, muss den Nachweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufs erbringen, der ein Fehlverhalten des Zustellers und eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde belegt.
3. Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO scheidet aus, wenn die Unkenntnis der später bekanntgewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist, weil das Finanzamt (FA) auch bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre.
4. Maßgebend für die Frage nach der Rechtserheblichkeit einer neuen Tatsache ist grundsätzlich der Zeitpunkt, in dem die Willensbildung des FA über die Steuerfestsetzung abgeschlossen wird, d.h. im Normalfall der Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens (bei EDV-mäßiger Abwicklung der Steuerfestsetzung) oder der Verfügung zum Steuerbescheid.
5. Wie das FA bei Kenntnis bestimmter Tatsachen und Beweismittel einen Sachverhalt in seinem ursprünglichen Bescheid gewürdigt hätte, ist im Einzelfall aufgrund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung ausgelegt wurde, und den die Finanzämter bindenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen, die im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Steuerbescheids durch das FA gegolten haben.
6. Werden bei Vorliegen einer Betriebsaufspaltung sowohl das als Einzelunternehmen geführte Besitzunternehmen als auch die in der Rechtsform der GmbH betriebene Betriebsgesellschaft unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen, entfällt die personelle Verflechtung zwischen Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 815 Nr. 6
EStB 2015 S. 169 Nr. 5
GmbHR 2015 S. 776 Nr. 14
KÖSDI 2015 S. 19422 Nr. 8
StBW 2015 S. 447 Nr. 12
HAAAE-88363

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