Beweiskraft der Zustellungsurkunde; Anforderung an den Gegenbeweis i.S. des § 418 Abs. 2 ZPO
Leitsatz
1. Die Prüfung, ob eine ordnungsgemäße Zustellung zutreffend durch den Zusteller in der darüber erstellten Zustellungsurkunde dokumentiert ist, ist auch im finanzgerichtlichen Verfahren nach der Beweisregel des § 418 ZPO vorzunehmen. 2. An den Gegenbeweis i.S. des § 418 Abs. 2 ZPO dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Insbesondere hat das Gericht in der gebotenen umfassenden Würdigung die Beweiskraft der Zustellungsurkunde der Beweiskraft der Gegenbeweismittel gegenüberzustellen und beide - unter inhaltlicher Auseinandersetzung mit den zum Gegenbeweis angebotenen Beweismitteln und der von ihnen ausgehenden Überzeugungskraft - gegeneinander abzuwägen. Der Hinweis auf die von der Urkunde ausgehende Beweiskraft allein ist nicht ausreichend. 3. Der Gegenbeweis ist erbracht, wenn nach dem Ergebnis einer Beweisaufnahme über die Tatsachenbehauptungen des Zustellungsempfängers, wonach der Zustellungsvorgang falsch beurkundet worden sei, diesen Behauptungen bei der Beweiswürdigung mehr Glauben zu schenken ist als der Zustellungsurkunde. 4. Dementsprechend schließt auch der Beweiswert eines gerichtlichen Eingangsstempels als öffentliche Urkunde nicht aus, dass das Gericht im Wege des Freibeweises trotz eines solchen Eingangsstempels von der Rechtzeitigkeit einer Rechtsmitteleinlegung überzeugt ist. 5. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt auch in den Fällen in Betracht, in denen dem Rechtsbehelfsführer der Gegenbeweis i.S. des § 418 Abs. 2 ZPO nicht gelingt.