Rückabwicklungsklage nach Gebrauchtwagenkauf von einem Händler: Auslegung und rechtliche Einordnung der Angabe "Datum der Erstzulassung lt Fzg-Brief" in einem "verbindlichen Bestellformular"; Überprüfung erstgerichtlicher Vertragsauslegung durch das Berufungsgericht und dessen Bindung an die Tatsachenfeststellungen erster Instanz
Leitsatz
1a. Die Frage, ob eine Erklärung als (rechtsverbindliche) Willenserklärung zu werten ist, beurteilt sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben (im Anschluss an , NJW 2002, 363 unter II 3 b aa und vom ,VIII ZR 391/12, NJW 2014, 1951 Rn. 14). Bei der Abgrenzung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung von einer unverbindlichen Erklärung ist daher der für die inhaltliche Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltende Grundsatz der objektiven Auslegung heranzuziehen (im Anschluss an , BGHZ 179, 319 Rn. 11, 22 und vom , VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 24 f.).
1b. Dabei kommt allerdings nicht die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB zur Anwendung. Denn diese setzt voraus, dass es sich bei der in Frage stehenden Erklärung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt (im Anschluss an Senatsurteil vom , VIII ZR 32/08, aaO Rn. 22 mwN).
1c. Ob es sich bei einer in einem "verbindlichen Bestellformular" über den Ankauf eines Kraftfahrzeugs vorgedruckten und durch eine individuelle Datumsangabe ergänzte Erklärung "Datum der Erstzulassung lt. Fzg-Brief" um eine rechtsverbindliche Erklärung handelt oder nicht, ist nach objektiven Maßstäben zu entscheiden. Denn für den Fall ihrer Rechtsverbindlichkeit käme allein eine Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung oder als typische, im Gebrauchtwagenhandel übliche Individualerklärung in Betracht. Auch im letztgenannten Fall gilt ein objektiver, von den Vorstellungen der konkreten Parteien und der Einzelfallumstände losgelöster Auslegungsmaßstab (im Anschluss an , BGHZ 7, 365, 368 und vom , II ZR 64/56, BGHZ 22, 109, 113).
2a. Die in einem "verbindlichen Bestellformular" über den Ankauf eines Kraftfahrzeugs vorgedruckte und mit einer individuellen Datumsangabe versehene Erklärung "Datum der Erstzulassung lt. Fzg-Brief" stellt keine auf den Abschluss einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB über eine bestimmte Höchststandzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung des Fahrzeugs oder eine bestimmte Modellreihenzugehörigkeit gerichtete Willenserklärung, sondern allein eine Wissenserklärung dar (im Anschluss an , BGHZ 135, 393, 398; vom , VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 13 und Senatsbeschluss vom , VIII ZR 287/09, DAR 2011, 520 Rn. 4).
2b. Anders als bei Neuwagen und "Jahreswagen", bei denen vor der Erstzulassung eine Standzeit von höchstens zwölf Monaten hinzunehmen ist (vergleiche , unter II 3 und vom , VIII ZR 180/05, NJW 2006, 2694 Rn. 7 ff.), lassen sich bei (sonstigen) Gebrauchtwagen keine allgemein gültigen Aussagen dahin treffen, ab welcher Grenze eine Standzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung eine Beschaffenheit darstellt, die nicht mehr üblich ist und die der Käufer auch nicht erwarten musste (Fortentwicklung von Senatsurteil vom , VIII ZR 34/08, NJW 2009, 1588 Rn. 14).
3. Dem Berufungsgericht ist gemäß § 513 Abs. 1, § 546 ZPO selbst bei - vom Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbaren - Individualerklärungen eine unbeschränkte Überprüfung der vorinstanzlichen Vertragsauslegung dahin eröffnet, ob diese bei Würdigung aller dafür maßgeblichen Umstände sachgerecht erscheint (im Anschluss an Senatsurteil vom , VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83, 88 ff.).
4. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO tritt eine Bindung des Berufungsgerichts an die Tatsachenfeststellung der ersten Instanz nicht bereits dann ein, wenn diese keine Verfahrensfehler aufweist (im Anschluss an , BGHZ 162, 314, 316 f. und vom , III ZR 307/05, NJW-RR 2008, 771 Rn. 13). Vielmehr sind auch verfahrensfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen für das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht bindend, soweit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Solche Zweifel können sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben (im Anschluss an Senatsurteil vom , VIII ZR 266/03, BGHZ 162, S. 317; Anschluss an BVerfG, vom , 1 BvR 2285/02, NJW 2003, 2524 und vom , 1 BvR 1935/03, NJW 2005, 1487).
Tatbestand
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n): BB 2016 S. 1602 Nr. 27 BB 2016 S. 1997 Nr. 34 NJW 2016 S. 3015 Nr. 41 NWB-Eilnachricht Nr. 28/2016 S. 2097 WM 2017 S. 243 Nr. 5 ZIP 2016 S. 1775 Nr. 37 ZIP 2016 S. 53 Nr. 28 KAAAF-79906