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BVerfG Urteil v. - 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16

Gesetze: Art 2 Abs 1 GG, Art 9 Abs 3 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 2a Abs 1 Nr 6 ArbGG, § 99 ArbGG, Art 22 BürgPoRPakt, Art 11 Abs 1 Halbs 2 MRK, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG, Art 1 Nr 1 TarifEinhG, Art 2 Nr 2 TarifEinhG, Art 2 Nr 3 TarifEinhG, § 4a Abs 2 S 2 TVG vom , § 4a Abs 3 TVG vom , § 4a Abs 4 TVG vom , § 4a Abs 5 S 1 TVG vom , § 4a Abs 5 S 2 TVG vom , Art 8 Abs 1a WiSoKuPakt

§ 4a TVG idF vom partiell mit Art 9 Abs 3 GG unvereinbar - Interessen derjenigen Berufsgruppen, deren Tarifvertrag gem § 4a Abs 2 S 2 TVG verdrängt wurde, müssen in verdrängendem Tarifvertrag berücksichtigt werden - Schutz langfristig angelegter, die Lebensplanung der Beschäftigen betreffender Ansprüche aus dem Minderheitstarifvertrag geboten - Fortgeltungsanordnung mit Übergangsregelung - Sondervotum zum Ergebnis und zur Begründung

Leitsatz

1. Das Freiheitsrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG schützt alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen, insbesondere den Abschluss von Tarifverträgen, deren Bestand und Anwendung sowie Arbeitskampfmaßnahmen. Das Grundrecht vermittelt jedoch kein Recht auf unbeschränkte tarifpolitische Verwertbarkeit von Schlüsselpositionen und Blockademacht zum eigenen Nutzen.

2. Art. 9 Abs. 3 GG schützt die Koalitionen in ihrem Bestand, ohne dass damit eine Bestandsgarantie für einzelne Koalitionen verbunden wäre. Staatliche Maßnahmen, die darauf zielen, bestimmte Gewerkschaften aus dem Tarifgeschehen herauszudrängen oder bestimmten Gewerkschaftstypen die Existenzgrundlage zu entziehen, sind mit Art. 9 Abs. 3 GG ebenso unvereinbar wie die Vorgabe eines bestimmten Profils.

3.GesetzlicheRegelungen, die in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG fallen, und die Funktionsfähigkeit des Systems der Tarifautonomie herstellen und sichern sollen, verfolgen einen legitimen Zweck. Dazu kann der Gesetzgeber nicht nur zwischen den sich gegenüberstehenden Tarifvertragsparteien Parität herstellen, sondern auch Regelungen zum Verhältnis der Tarifvertragsparteien auf derselben Seite treffen, um strukturelle Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Tarifverhandlungen auch insofern einen fairen Ausgleich ermöglichen und in Tarifverträgen mit der ihnen innewohnenden Richtigkeitsvermutung angemessene Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen hervorbringen können.

4. Bei der Regelung der Strukturbedingungen der Tarifautonomie verfügt der Gesetzgeber über eine Einschätzungsprärogative und einen weiten Handlungsspielraum. Schwierigkeiten, die sich nur daraus ergeben, dass auf einer Seite mehrere Tarifvertragsparteien auftreten, rechtfertigen eine Beschränkung der Koalitionsfreiheit grundsätzlich nicht.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2017:rs20170711.1bvr157115

Fundstelle(n):
QAAAG-50030

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