Ersatzaussonderungs- und absonderungsrechte im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Getränkemarktbetreibers: Verlust der Befugnis des Schuldners zur Einziehung sicherungsabgetretener Forderungen und Veräußerung sicherungsübertragener oder unter Eigentumsvorbehalt erworbener Ware; Widerruf der Veräußerungsermächtigung durch die Berechtigten; Einziehung und Veräußerung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter; Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen eines Ersatzaussonderungs- und -absonderungsrechts; sekundäre Darlegungslast des Insolvenzverwalters
Leitsatz
1a. Der Schuldner, der ihm zustehende Forderungen zur Absicherung von eigenen Verbindlichkeiten global abgetreten, das Eigentum an Waren in einem Raumsicherungsvertrag übertragen und Vorbehaltsware käuflich erstanden hat, verliert die ihm in der Sicherungsvereinbarung und dem Kaufvertrag eingeräumte Befugnis, die abgetretenen Forderungen einzuziehen und die sicherungsübertragenen und unter Eigentumsvorbehalt erworbenen Waren weiter zu veräußern, nicht ohne weiteres, wenn er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt und ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt und Einziehungsbefugnis bestellt wird (Festhalten an , BGHZ 144, 192).
1b. Die Einziehung sicherungsabgetretener Forderungen und die Veräußerung sicherungsübertragener oder unter Eigentumsvorbehalt erworbener Ware ist unberechtigt, wenn die Sicherungsrechte der Sicherungsnehmer sich nicht auf die Ansprüche auf die Gegenleistung und die eingezogenen Geldbeträge oder das eingenommene Entgelt erstrecken, etwa dadurch, dass der vorläufige Insolvenzverwalter die zur Sicherung abgetretenen Forderungen und die Entgelte aus der Weiterveräußerung schuldnerfremder Gegenstände auf einem zugunsten der Sicherungsnehmer eingerichtetem offenen Treuhandkonto einzieht.
2a. Darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Ersatzaussonderungs- und -absonderungsrechts ist derjenige, der sich darauf beruft. Dazu gehört auch das Merkmal des (durchgehend) unterscheidbaren Vorhandenseins der Gegenleistung in der Masse.
2b. Den Insolvenzverwalter trifft hinsichtlich des Vorhandenseins des Gegenstands in der Masse grundsätzlich eine sekundäre Darlegungslast. Dem steht nicht entgegen, dass dem Aus- und Absonderungsberechtigten gegen den Insolvenzverwalter ein gesondert durchsetzbarer Auskunftsanspruch zusteht.
2c. Soweit der Insolvenzverwalter den Auskunftsberechtigten auf eine Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere des Schuldners verweisen darf, kann er ebenfalls in Erfüllung der sekundären Darlegungslast den Aus- und Absonderungsberechtigten auf die Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere verweisen.
3. Der vorläufige Insolvenzverwalter kann nicht ermächtigt werden, durch Raumsicherungsvertrag übertragenes Eigentum und Vorbehaltseigentum nach Widerruf der Veräußerungsermächtigung durch die Berechtigten gegen deren Willen zu veräußern.
Tatbestand
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer: ECLI:DE:BGH:2019:240119UIXZR110.17.0
Fundstelle(n): BB 2019 S. 577 Nr. 11 BB 2019 S. 712 Nr. 13 DB 2019 S. 535 Nr. 10 DB 2019 S. 6 Nr. 10 DStR 2019 S. 14 Nr. 13 DStR 2019 S. 1415 Nr. 27 NJW 2019 S. 1940 Nr. 27 NWB-Eilnachricht Nr. 14/2020 S. 983 WM 2019 S. 452 Nr. 10 ZIP 2019 S. 472 Nr. 10 HAAAH-08740