Internationaler Straßengüterverkehr im Anwendungsbereich der CMR: Aussetzung eines Rechtsstreits im Hinblick auf ein anderes Verfahren bei Anhängigkeit der Verfahren vor Gerichten zweier Mitgliedstaaten der EU; Vorliegen einer neuen Klage wegen "derselben Sache"; fehlende Regelung zur Aussetzung eines Verfahrens in der CMR; Aufhebung der Aussetzungsentscheidung im Beschwerdeverfahren
Leitsatz
1. Die Vorschrift des Art. 31 Abs. 2 CMR, die eine Rechtshängigkeitssperre und die Einrede der Rechtskraft für gleiche Streitgegenstände in Verfahren wegen derselben Sache zwischen denselben Parteien begründet, regelt nicht die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsstreit im Hinblick auf ein anderes Verfahren ausgesetzt werden kann. Wenn das zuerst anhängig gemachte Verfahren noch nicht beendet und die Frage der späteren Vollstreckbarkeit der darin zu treffenden Entscheidung deshalb noch nicht geklärt ist, kommt - wenn Verfahren vor Gerichten zweier Mitgliedstaaten der Europäischen Union anhängig sind - statt einer Abweisung der Klage als unzulässig eine Aussetzung in entsprechender Anwendung von Art. 29 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO in Betracht.
2. Um eine neue Klage wegen "derselben Sache" im Sinne von Art. 31 Abs. 2 Satz 1 CMR handelt es sich auch dann, wenn es sich bei dem anhängigen Verfahren um eine negative Feststellungsklage und bei dem neuen Verfahren um eine Leistungsklage handelt und beide Verfahren vor Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten der Europäischen Union anhängig sind (Aufgabe , BGHZ 157, 66).
3. Da die gegenüber der Brüssel-Ia-VO grundsätzlich vorrangige CMR keine Regelung zur Aussetzung eines Verfahrens wegen Sachzusammenhangs mit einem anderen Verfahren enthält, kann im Anwendungsbereich der Brüssel-Ia-VO insoweit Art. 30 Brüssel-Ia-VO angewandt werden.
4. Im Verfahren der Beschwerde gegen eine Aussetzungsentscheidung, die im Ermessen des erstinstanzlichen Gerichts liegt, darf das Beschwerdegericht bei Vorliegen von Ermessensfehlern die erstinstanzliche Aussetzungsentscheidung lediglich aufheben; es ist nicht befugt, sein Ermessen an die Stelle des dem Erstgericht eingeräumten Ermessens zu setzen. Ein Ermessensfehler liegt auch vor, wenn das erstinstanzliche Gericht sein Ermessen nicht ausgeübt hat.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer: ECLI:DE:BGH:2019:250719BIZB82.18.0
Fundstelle(n): NJW-RR 2020 S. 98 Nr. 2 RIW 2019 S. 842 Nr. 12 WM 2020 S. 751 Nr. 16 JAAAH-33939