Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
BGH Beschluss v. - KRB 99/19

Gesetze: § 1 GWB, § 81 Abs 1 Nr 1 GWB, § 81 Abs 2 Nr 1 GWB, Art 101 Abs 1 AEUV, Art 81 Abs 1 EGV, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 6 Abs 2 MRK, § 31 Abs 1 S 1 OWiG, § 31 Abs 3 OWiG, § 46 Abs 1 OWiG, § 261 StPO, § 267 StPO

Kartellrechtsverstoß: Zweigliedrigkeit des Abgestimmten Verhaltens; Fühlungnahme und praktische Zusammenarbeit; Informationsaustausch als Abstimmung; kartellzivil- und -verwaltungsverfahrensrechtliche Erfahrungssätze im Kartellbußgeldverfahren; Tatbeendigungszeitpunkt des abgestimmten Verhaltens - Bierkartell

Leitsatz

Bierkartell

1. Der Tatbestand der aufeinander abgestimmten Verhaltensweise ist zweigliedrig; er verlangt neben einem Abstimmungsvorgang (Fühlungnahme) eine tatsächliche Verhaltensweise im Sinne einer praktischen Zusammenarbeit auf dem Markt, das heißt ein konkretes Marktverhalten in Umsetzung der Abstimmung. Typisches Mittel einer verbotenen Abstimmung ist der Austausch von Informationen über wettbewerbsrelevante Parameter mit dem Ziel, die Ungewissheit über das zukünftige Marktverhalten des Mitbewerbers auszuräumen.

2. Im Kartellzivil- und -verwaltungsverfahren spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine Abstimmung durch Informationsaustausch das Marktverhalten der beteiligten Unternehmen beeinflusst. Diese Vermutung hat ihren sachlichen Grund in dem Erfahrungssatz, dass ein Unternehmen Kenntnisse über beabsichtigtes oder erwogenes Marktverhalten eines Mitbewerbers regelmäßig bei der Bestimmung des eigenen Marktverhaltens berücksichtigt.

3. Die - potentiell starke - Indizwirkung dieses Erfahrungssatzes ist auch bei der Beweiswürdigung im Kartellbußgeldverfahren zu beachten. Vermag sich das Tatgericht nicht von einem Kausalzusammenhang zwischen Abstimmung und Marktverhalten zu überzeugen, erweist sich die Beweiswürdigung grundsätzlich als lücken- und damit rechtsfehlerhaft, wenn der Erfahrungssatz in den Urteilsgründen nicht erörtert ist.

4. Der Tatbestand der aufeinander abgestimmten Verhaltensweise fasst den Abstimmungsvorgang und die hierauf beruhende Verhaltensweise im Sinne einer praktischen Zusammenarbeit auf dem Markt zu einer Bewertungseinheit als Unterfall der tatbestandlichen Handlungseinheit zusammen. Solange das Marktverhalten fortdauert, ist die Tat nicht im Sinne des § 31 Abs. 3 OWiG beendet.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2020:130720BKRB99.19.0

Fundstelle(n):
BB 2020 S. 2305 Nr. 42
BB 2020 S. 2705 Nr. 48
NJW 2021 S. 395 Nr. 6
WM 2021 S. 2347 Nr. 48
WAAAH-59905

In diesem Produkt ist das Dokument enthalten:

SIS Datenbank