Schutzfähigkeit eines Erzeugnisses als Gemeinschafts-Geschmacksmuster: Beantragung oder Erteilung eines technischen Schutzrechts für dasselbe Erzeugnis; Prüfung der Merkmale des Erzeugnisses auf die technische Bedingtheit aufgrund der Patentoffenlegungsschrift; Prüfung der außerhalb der Patentoffenlegungsschrift liegenden Umstände - Papierspender
Leitsatz
Papierspender
1. Der Schutzfähigkeit eines Erzeugnisses als (Gemeinschafts-)Geschmacksmuster steht es nicht entgegen, dass für dasselbe Erzeugnis ein technisches Schutzrecht beantragt oder erteilt wurde (Fortführung von Ib ZR 13/64, GRUR 1966, 681, 683 [juris Rn. 31] - Laternenflasche).
2. Die Ansprüche, Beschreibungen und Zeichnungen der Patentoffenlegungsschrift für ein Erzeugnis zählen zu den für den Einzelfall maßgeblichen objektiven Umständen, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (, GRUR 2018, 612 Rn. 38 = WRP 2018, 546 - DOCERAM) bei der gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV) vorzunehmenden Prüfung zu würdigen sind, ob Erscheinungsmerkmale ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt sind. Die Patentoffenlegungsschrift kann Aufschluss darüber geben, welche Merkmale des Erzeugnisses die dem Patent zugrundeliegende technische Lehre verwirklichen und daher zumindest auch technisch bedingt sind.
3. Jedoch erlaubt das Fehlen von Erwägungen zur visuellen Erscheinung des Erzeugnisses in einer Patentoffenlegungsschrift für sich genommen genauso wenig den Schluss auf die ausschließlich technische Bedingtheit eines Erscheinungsmerkmals wie das Vorhandensein von Erwägungen zu dessen technischer Funktion. Vielmehr ist in beiden Fällen zu prüfen, ob außerhalb der Patentoffenlegungsschrift liegende Umstände auf eine visuelle Bedingtheit des betreffenden Erscheinungsmerkmals hindeuten.