Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer: Voraussetzungen für die Unbilligkeit des normierten Pauschalsatzes; Erhöhung des gesetzlichen Pauschalsatzes bei erheblicher Verzögerung eines Verfahrens zu Fragen des Sorge- und Umgangsrechts
Leitsatz
1. Im Hinblick auf den eine Verfahrensvereinfachung anstrebenden Gesetzeszweck ist der Tatrichter nur bei Vorliegen besonderer Umstände gehalten, von dem normierten Pauschalsatz (§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG) aus Billigkeitsgründen gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG abzuweichen. Erforderlich ist, dass sich das zu beurteilende Verfahren durch eine oder mehrere entschädigungsrelevante Besonderheiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von anderen Verfahren dieser Art abhebt, so dass die konkreten Auswirkungen der überlangen Verfahrensdauer die Pauschalhöhe als unbillig erscheinen lassen (Bestätigung und Fortführung der , BGHZ 199, 87 und vom - III ZR 91/13, NJW 2014, 1816).
2. In Verfahren, die Fragen des Sorge- und Umgangsrechts insbesondere gegenüber Kleinkindern zum Gegenstand haben, kommt bei einer dem Gericht zuzurechnenden erheblichen Verfahrensverzögerung (hier: 37 Monate) eine schwerwiegende Beeinträchtigung des betroffenen Elternteils in seinem Recht auf Umgang mit seinem Kind (Art. 6 Abs. 2 GG, § 1684 Abs. 1 BGB) und seinem Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens (Art. 8 Abs. 1 EMRK) in Betracht, die nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG die Erhöhung des gesetzliches Pauschalsatzes rechtfertigen kann.
Tatbestand
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer: ECLI:DE:BGH:2021:060521UIIIZR72.20.0
Fundstelle(n): NJW 2021 S. 3194 Nr. 43 NJW 2021 S. 8 Nr. 28 ZAAAH-81897