Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 2771/18

Gesetze: Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 10 Abs 1 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 2 Abs 6 BSIG 2009, § 1 Abs 1 CSG BW, § 3 CSG BW, § 4 Abs 1 CSG BW, § 4 Abs 2 Nr 1 CSG BW, § 4 Abs 3 CSG BW, § 8 Abs 1 CSG BW, Art 27 EURL 2016/680, Art 29 EURL 2016/680, § 2 Abs 1 GGArt91cVtr, § 2 Abs 2 S 2 GGArt91cVtr, § 23b Abs 2 PolG BW vom , § 54 Abs 2 PolG BW vom , § 54 Abs 3 S 2 PolG BW vom , § 80 PolG BW vom

Kenntnis von Zero-Day-Schwachstellen verpflichtet Sicherheitsbehörden zur Abwägung gegenläufiger Belange (Strafverfolgung / Integrität informationstechnischer Systeme) und ggf zur Meldung an Hersteller - hier: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Möglichkeit des Ausnutzens von IT-Sicherheitslücken zwecks Quellen-Telekommunikationsüberwachung durch die Sicherheitsbehörden (hier: gem § 54 Abs 2 PolG BW) ohne entsprechenden Schwachstellen-Management - Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Darlegung der Beschwerdebefugnis sowie wegen Subsidiarität

Leitsatz

1. Art. 10 Abs. 1 GG begründet neben einem Abwehrrecht einen Auftrag an den Staat, vor dem Zugriff privater Dritter auf die dem Fernmeldegeheimnis unterfallende Kommunikation zu schützen (Bestätigung von BVerfGE 106, 28 <37>).

2. a) Die grundrechtliche Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme verpflichtet den Staat, zum Schutz der Systeme vor Angriffen durch Dritte beizutragen.

b) Die grundrechtliche Schutzpflicht des Staates verlangt auch eine Regelung zur grundrechtskonformen Auflösung des Zielkonflikts zwischen dem Schutz informationstechnischer Systeme vor Angriffen Dritter mittels unbekannter Sicherheitslücken einerseits und der Offenhaltung solcher Lücken zur Ermöglichung einer der Gefahrenabwehr dienenden Quellen-Telekommunikationsüberwachung andererseits.

3. Für die Geltendmachung einer gesetzgeberischen Schutzpflichtverletzung bestehen spezifische Darlegungslasten. Eine solche Verfassungsbeschwerde muss den gesetzlichen Regelungszusammenhang insgesamt erfassen. Dazu gehört, dass die einschlägigen Regelungen des beanstandeten Normkomplexes jedenfalls in Grundzügen dargestellt werden und begründet wird, warum diese verfassungsrechtlich unzureichend schützen.

4. Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz, kann nach dem Grundsatz der Subsidiarität auch die Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungs- oder Unterlassungsklage zu den zuvor zu ergreifenden Rechtsbehelfen gehören. Das ist nicht erforderlich, wenn die Beurteilung einer Norm allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft und von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung keine verbesserte Entscheidungsgrundlage zu erwarten wäre (stRspr). Dies gilt auch im Falle der Rüge einer gesetzgeberischen Schutzpflichtverletzung.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2021:rs20210608.1bvr277118

Fundstelle(n):
NJW 2021 S. 3033 Nr. 41
wistra 2021 S. 3 Nr. 9
DAAAH-84440

In diesem Produkt ist das Dokument enthalten:

SIS Datenbank